Risse in den westlichen Gewölbefeldern der Stadtpfarrkirche von Steyr in Oberösterreich gaben Anlass zu statisch-konstruktiven Untersuchungen des gesamten Bauwerks. In einer Zusammenarbeit von Restauratoren, Bauforschern und Tragwerksplanern wurde nach den Ursachen für die Schäden gesucht.
Statisch-konstruktive Voruntersuchung
Das Dachwerk der Stadpfarrkirche in Steyr von 1558/59, wurde als viergeschossiges Kehlbalkendach mit stehenden Stühlen und einbeschriebenen Hängewerken errichtet. Die Dachneigung beträgt etwa 58°. Bei den Dimensionen des Dachwerks mussten die Balken teils in der Länge gestoßen werden. Durch die Druckbelastung sind einige Balken seitlich oder nach oben ausgeknickt.
Risse in den westlichen Gewölbefeldern der Stadtpfarrkirche von Steyr in Oberösterreich gaben Anlass zu statisch-konstruktiven Untersuchungen des gesamten Bauwerks. In einer Zusammenarbeit von Restauratoren, Bauforschern und Tragwerksplanern wurde nach den Ursachen für die Schäden gesucht.
Der gotische Neubau der Stadtpfarrkirche wurde 1443 vom Dombaumeister des Wiener Stephansdoms Hans Puchsbaum begonnen. Vom Vorgängerbau wurden offensichtlich nur geringe Reste einbezogen.
Im Jahr 1522 waren gerade die Gerüste zur Einwölbung des Langhauses aufgestellt, als ein verheerender Brand ausbrach und das gesamte Dachwerk zerstörte. Die gotischen Gewölbe im Chor haben der Brandkatastrophe standgehalten. Brandspuren am aufgehenden Mauerwerk und verkohlte Balkenstücke in den Mauerkronen bezeugen noch heute die Katastrophe. Beim Wiederaufbau wurde die gotische Architektur beibehalten.
Die abgeschlossenen Untersuchungen konnten eine angebliche Verlängerung des Bauwerks nach Westen über die Durchfahrt hinweg nicht bestätigen. Das Langhaus hatte schon vor dem Brand die heutige Längenausdehnung gehabt. Ergänzungen im oberen Teil der Westwand dürften auf einen Teileinsturz beim Brand zurückzuführen sein. Vom Brand 1522 bis zur Errichtung des noch heute vorhandenen Dachwerks in den Jahren 1558/59 dürfte die Kirche mit einem provisorischen Dach geschützt gewesen sein. Eine Einwölbung des Langhauses erfolgte erst 1630. Ab dem Jahr 1854 wurde die Stadtpfarrkirche umfassend neugotisch ausgestaltet.
Das Dachwerk entstand ab 1558 in zwei Bauabschnitten. Ablesbar ist dies am Wechsel der Abbundseiten und der Gespärrenummerierung in Gebäudemitte. Als Meisterleistung des spätgotischen Zimmererhandwerks erfüllt das Dachwerk bis heute seinen Zweck. In den mittlerweile viereinhalb Jahrhunderten seines Bestehens wurden nur kleinere Reparaturen durchgeführt.
Der nordseitig angeordnete sechseckige Turm schneidet mit einer Ecke in das nördliche Seitenschiff ein. Nach einem Feuer im Jahr 1876 mit Einsturz des Turmhelms wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts die Turmobergeschosse neu aufgeführt und mit einem steinernen Turmhelm versehen.
Das Dachwerk von 1558/59 wurde als viergeschossiges Kehlbalkendach mit stehenden Stühlen und einbeschriebenen Hängewerken errichtet. Die Dachneigung beträgt etwa 58°. An der westlichen Stirnseite und am stark gegliederten östlichen Chorschluss endet das Dach in Walmflächen.
Im Gegensatz zu dem mit gotischen Rippengewölben eingewölbten Chorraum wird das Langhaus mit Stichkappengewölben über dem Mittelschiff und Kreuzgratgewölben über den Seitenschiffen überdeckt. Das spitzbogige Tonnengewölbe mit Stichkappen über dem Mittelschiff wurde mit oberseitig eingebundenen Gurtbögen verstärkt. Die heutigen Gewölbe im Langhaus weichen in der Form deutlich von der urspünglichen Planung ab. Im Dachraum lassen sich noch weitgehend die gotischen Gewölbeanschlüsse an den Jochwänden ablesen. Für die Einwölbung des Langhauses im Jahr 1630 wurden die bereits vorhandenen Dienste und Randrippen teilweise abgetragen und Kapitelle eingebaut.
Die Fassaden der Stadtpfarrkirche sind als Sichtmauerwerk aus großformatigen Quadern aus Nagelfluh (Konglomerat) hergestellt. Die Aussenwände sind durch vorgelagerte Pfeilervorlagen verstärkt.
Die westlichen Felder der beiden Jochwände wurden vermutlich erst nach dem Wiederaufbau des Dachwerks eingefügt. Das Mauerwerk besteht hier aus einer Vielzahl wiederverwendeter Werkstein-Bruchstücke und Ziegeln.
Eine Überprüfung der Fundamentierung durch Schürfen an zwei Stellen ergab ein zunächst widersprüchliches Ergebnis: Während neben dem Südportal ein hervorragendes Gründungsmauerwerk aus großen Nagelfluhquadern bis in einer Tiefe von ca. 1,8 m unter Gelände vorhanden ist, wurde am Pfeiler an der Nordwestecke eine schlecht vermörtelte Steinpackung aus Bachgeröll angetroffen. Warum an der Nordwestecke eine völlig andere Gründung gewählt wurde, kann nur vermutet werden. Eventuell wurde eine ältere bestehende Fundamentierung im Anschluss an die Stadtbefestigung wiederverwendet.
Das historische Bauwerk weist Schäden und Mängel am Dachwerk, den Gewölben, dem aufgehenden Mauerwerk und der Gründung auf. Die Holzbauteile sind in einem überwiegend guten Zustand. Einzelne Dachfußpunkte sind durch eingedrungene Feuchtigkeit und nachfolgenden Pilzbefall geschädigt.
Bei den beachtlichen Dimensionen des Dachwerks mussten die Balken teils in der Länge gestoßen werden. Durch die Druckbelastung sind einige Balken seitlich oder nach oben ausgeknickt. Insbesondere an den zugbelasteten Zerrbalken (Trambalken) führten die Verbindungen zu Schwierigkeiten. Die hohen Lasten konnten von den eingeschlagenen Eisenklammern nur unvollständig übertragen werden, es kam zu entsprechenden Verformungen der Gespärre. Die ursprüngliche Klammerfunktion für Wände und Gewölbe hat das Dachwerk damit zum Teil eingebüßt.
Zu allen maßgebenden Bauteilen wurden statische Berechnungen durchgeführt. Die Beobachtungen vor Ort am aufgehendem Mauerwerk, den Gewölben und dem Dachwerk wurden rechnerisch überprüft. Alle geschädigten Konstruktionen müssen instandgesetzt werden. Zusätzlich ist eine Verstärkung einzelner überbeanspruchter Bauteile erforderlich.
Die mehrjährige Instandsetzungsmaßnahme begann im März 2012 mit der Sanierung des Dachstuhls unter der Leitung der ZT-Fritsch GmbH.
Beteiligte:
- Bauherr: Kath. Pfarrkirche Steyr-Stadtpfarre, Steyr
- Maßnahmeträger: Baureferat der Diözese Linz, Linz
- Aufmaß: Messbildstelle Dresden
- Schadenskartierung Dachwerk: Herr Mag. Dr. Fuchsberger, Salzburg
- Befunduntersuchungen Risse: Fa. Preis & Preis, Regensburg
- Denkmalpflege: Bundesdenkmalamt Linz, Landeskonservatorat für OÖ
Das Büro Bergmann führte folgende Leistungen aus:
- Statisch-konstruktive-Voruntersuchung
- Statisches Gutachten
Gewölbestatik
Aufbauend auf geodätischen Vermessungen der Gewölbeuntersichten durch die Messbildstelle Dresden wurde die Gewölbetragwirkung anhand eines Rechenmodells ermittelt. Dieses Modell basiert auf einer Finite-Element-Methode unter Zugrundelegung linear-elastischer Materialgesetze, d.h. ohne Abbildung von Imperfektionen wie z. B. Risse.
Die mit dem mathematischen Modell abgebildeten Gewölbetragwirkungen korrespondieren mit den vor Ort erkennbaren Rissen und Schäden, d. h., das mathematische Modell ist in der Lage die vor Ort erkennbaren Risse abzubilden. Demzufolge muss es zu großen Veränderungen innerhalb der Beanspruchung des Gewölbemauerwerks kommen, sollten sich die Auflager verschieben.
Eine mathematische Modellierung zur Lastabtragung der Westwand wurde ebenfalls mit der Finite-Element-Methode durchgeführt. Die Berechnungen belegen, dass die Pfeilervorlagen zur Lastabtragung zwingend erforderlich sind. Die Mauerwerksbeschaffenheit kann als Ursache für die Schäden an den westlichen Gewölbefeldern ausgeschlossen werden. Ein wesentlicher Grund für die Bauwerksbewegungen an der Westseite ist im Wegfall der stützenden Anbauten der ehemaligen Stadtbefestigung zu sehen.
Die unter der Westwand angetroffene Gründung weist offensichtlich eine geringe Steifigkeit auf. Wegen fehlender Fundamentverbreiterungen und geringer Einbindetiefe ist keine nennenswerte Lastverteilung durch die Fundamente zu erwarten. An der Vorderseite der Pfeilervorlagen werden bei exzentrischer Belastung sehr hohe Bodenpressungen und weitere Verformungen erwartet.
Zur statisch-konstruktiven Instandsetzung der Stadtpfarrkirche werden umfangreiche Baumaßnahmen erwartet. Zur Wiederherstellung der bauzeitlichen Tragreserven werden alle geschädigten Bauteile repariert oder durch neue Konstruktionen ergänzt:
- Reparatur zerstörter Bauteile und überlasteter Verbindungen des Dachwerks
- Ergänzung entfernter Verbände im Dachwerk
- Ergänzung der unvollständigen Tragsysteme im Dachwerk neben dem Turm
- Ergänzung der unvollständigen Gespärre am Treppenturm auf der Nordseite
- Stabilisierung Walmschub der Dachflächen an der Ostseite und an der Westseite
- Reparatur und Ergänzung des Dachwerks über der nördlichen Seitenkapelle
- Rissverfüllung in den Gewölben
- Rissverpressung in den Aussenwänden und Jochbogenwänden
- Stabilisierung der Westwand durch den Einbau von eingebohrten Spannankern in Höhe der Empore und in den Jochbogenwänden über der Empore
- örtliche Reparatur von Mauerwerk und Gründung an der nordwestlichen Pfeilervorlage und am Wandfuß der Westwand
- Instandsetzung des steinernen Turmhelms auf dem Treppenturm an der Nordseite