Rubens in Bewegung – Peter Paul Rubens und seine „Himmelfahrt Mariae“

Die Größe von Peter Paul Rubens’ Altarbild “Die Himmelfahrt Mariae” war schon mehrfach Anlass, über einen Transport intensiv nachzudenken.

Das Tafelgemälde “Die Himmelfahrt Mariae” von Peter Paul Rubens wurde zwischen 1616 und 1618 als Hochaltar für die Notre Dame de la Chapelle in Brüssel geschaffen. Von dort gelangte es 1711/12 durch Kauf in die Sammlung des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz und seiner Ehefrau Anna Maria Luisa de‘Medici. Ein Großteil der Düsseldorfer Gemäldegalerie ging 1805 als Erbschaft an die Wittelsbacher und wurde nach München verbracht. Dort bildete sie den Grundstock für die Sammlung der Alten Pinakothek. Doch mit einer Tafelgröße von 429 x 284 cm war “Die Himmelfahrt Mariae” zu groß und zu schwer, um sie nach München transportieren zu können. Sie blieb in der kurfürstlichen Gemäldegalerie Düsseldorf, fand Eingang in die Sammlung der königlich preußischen Kunstakademie Düsseldorf und erhielt ihren Platz schließlich im Kunstpalast.

Während der Umbaumaßnahmen des Kunstmuseum am Ehrenhof von 1979 bis 1985 wurde das Tafelgemälde in die Kreuzherrenkirche ausgelagert, leider erlitt sie dabei einige Blessuren. Für einen internen Umbau des Kunstpalastes im Jahr 1998 sollte deshalb das Tafelgemälde nicht mehr außer Haus gebracht werden. Stattdessen wurde es abgehängt und auf Schwingungsdämpfern im Raum gelagert. Für die Bauphase wurde es eingehaust.

Nun steht dem Kunstpalast wieder eine große Baumaßnahme bevor, die den gesamten Sammlungsflügel und somit auch den sogenannten Rubenssaal betrifft. Der Umbau soll Ende 2020 beginnen und bis 2022 abgeschlossen werden.

Quo vadis, lieber Peter Paul Rubens?

Mit seinem Zierrahmen hat das Bild “Die Himmelfahrt Mariae” eine Höhe von 473 cm und eine Breite von 332 cm. Nimmt man den Zierrahmen ab, bleibt immer noch eine Höhe von 429 cm und eine Breite von 284 cm.

Die Türen im Rubenssaal haben eine lichte Breite von 257 cm und eine lichte Höhe von 303 cm. Die Diagonale berechnet sich somit zu 397 cm.

Die Türen im Saal 3 des Ausstellungsflügels – dort wäre eine Unterbringung während der Baumaßnahme uneingeschränkt möglich – haben jedoch deutlich geringere Abmessungen: lichte Höhe 298 cm bei einer lichten Breite von 154 cm. Nach dem Ausbau der Türblätter standen dann noch ein paar Zentimeter mehr zur Verfügung. Die lichte Breite beträgt nun 164 cm. Die Diagonale errechnet sich somit zu 340 cm.

Die Geschichte mit dem Kamel und dem Nadelöhr könnte klappen. Doch wie transportiert man ein Tafelgemälde ohne aussteifenden Zierrahmen in diagonaler Lage durch den halben Kunstpalast, um enge Kurven, sperrige Ecken und durch enge Türöffnungen?

“Die Himmelfahrt Mariae” ist aus 10 vertikal miteinander verleimten Eichenbrettern gefügt, die zum Teil in der Länge gestückt sind. Bauzeitlich sind die Bretter untereinander verleimt und mit innenliegenden Holzdübeln und auf der Rückseite sichtbaren, eingelassenen Schwalbenschwanzbrettchen gesichert. Zusätzlich wurde bei einer früheren Maßnahme rückwärtig eine Parkettierung aus 6 horizontal verlaufenden Leisten und zahlreichenden Klötzchen auf der Tafel aufgebracht. Die Klötzchen sind auf der Tafel aufgeleimt.

Zum Transport durch die Tür müsste das Tafelgemälde aus seiner vertikalen Position in eine horizontale Position gekippt und dann in eine Schräglage gedreht werden. Und das alles ohne Verwindung und Verschiebung der gefügten Bretter.

Für eine Verpackung in einer ausreichenden steifen Kiste war die Tür zu klein. Also musste ein Transportgestell entwickelt werden, das zum einen die Tafel aussteift und zum anderen den Transport in der erforderlichen Schräglage erlaubt.

Dass diese Planung in Corona-Zeiten nur mit Videokonferenzen möglich war, sorgte für eine weitere sehr spannende Art der Kommunikation unter den Beteiligten.

Nach mehreren Videokonferenzen stand das Prinzip fest: eine aus Stahlrohren geschweißte räumliche Konstruktion mit einer Grundplatte. Die Neigung der Grundplatte wird auf die Diagonale der kleinsten Tür abgestimmt. Rollen sollen die Lagerung und den Transport erlauben.

Auszug Konstruktionsplan, Schnitt Transportrahmen
(zur Vergrößerung auf das Bild klicken):

Doch wie wird das Tafelgemälde auf dem Transportwagen befestigt? Da eine Verschraubung in den historischen Eichenbrettern nicht in Frage kam, führten zahlreiche Diskussionen unter den beteiligten Restauratoren und Spezialisten zu einem Verkrallen – Techniker sprechen gern von einem Formschluss – von Grundplatte/Transportwagen und den zahlreichen Klötzchen der Parkettierung. Hierbei werden die auf der Rückseite des Tafelgemäldes vorhandenen Klötzchen der Parkettierung von weiteren neuen Klötzchen eingerahmt. Diese wiederum sind mit der Grundplatte des Transportwagens verschraubt. Die Grundplatte wird aus einem Lochblech mit Aussteifungsrippen hergestellt. Die auf dem Lochblech befestigten neuen Klötzchen bilden somit einen Negativabdruck der Parkettierungs-Klötzchen. Kippt man das Bild aus der Vertikalen, dann hilft die Schwerkraft mit und das Tafelgemälde wird durch die Klötzchen in seiner Lage gehalten. Soviel zur Theorie.

Am 14. September 2020 war es dann soweit. Das Tafelbild “Die Himmelfahrt Mariae” wurde von seiner bisherigen Befestigung an der Wand gelöst und mit 2 verfahrbaren Kettenzügen auf den Fußboden abgelassen. Nun konnte die nur von einem alten Foto bekannte Rückseite untersucht und die Theorie überprüft werden. Das Ergebnis: Die Klötzchenlösung war möglich. Die Klötzchen wurden allerdings nicht direkt mit dem Lochblech verschraubt, sondern sollten von einem Zwischenholz gehalten werden. So konnten alle Holzelemente durch den Restaurator und die Schreiner des Kunstpalasts bereits montiert werden, ohne dass der Transportwagen schon fertig sein musste.

Die Abnahme des Zierrahmens, die Lageänderungen, die Sicherungen, das Kippen und Wenden sowie der Transport wurde in einzelne Phasen gegliedert, diese nochmals in Einzelschritte zerlegt und in allen Punkten abgestimmt. So entstand ein “Drehbuch”.

Zum Schluss wurden noch zusätzliche Traversen am Transportwagen geplant, die die Verankerung weiterer Kettenzüge erlaubten. Insgesamt 6 davon standen nun zum Heben, Kippen, Drehen und Wenden zur Verfügung. Die Konstruktionszeichnungen wurden nochmals angepasst und schließlich freigegeben. Die Firma Jacobs baute dann in 10 Tagen den Transportwagen.

Am 28. September 2020 trafen sich alle Planungsbeteiligten und Ausführende im Kunstpalast wieder, um den Rubens schließlich auf seine Reise zu schicken.

 

ABLAUFPLANUNG (Auszüge aus dem “Drehbuch”)

(…)

3 – Einbau von 4 Kettenzügen in die bestehenden Portalgerüste zur Aufhängung Transportwagen: 2 in Achse I (West), 2 in Achse III, jeweils außen

3a – Verfahren von Zierrahmen und Bildtafel in Achse II

3b – Verfahren von Transportwagen in Achse III

4 – Montage Quertraversen am Transportwagen

5 – Einhängen der 4 Kettenzüge in die Ösen der Quertraversen

6 – Anheben des Transportwagens und Hängung in senkrechter Lage des Lochblechs in Achse III

15 – Anheben Transportwagen und Bild, dabei leichte Neigung (etwa 20 Grad) der Längsachse in Richtung des Transportwagens zur sicheren Lagerung der Bildtafel auf den Halteklötzen/Leisten durch Ziehen der vorderen Kettenzüge in Achse I und weiteres Nachlassen der Kettenzüge des Zierrahmens, dabei Fixierung der Lage durch Führen des unteren Zierrahmens von Hand

16 – Rückbau der restlichen Befestigungen Zierrahmen – Bildtafel

17 – Anheben/Wegziehen Zierrahmen von der Bildtafel durch Verfahren der Kettenzüge zur Achse II / Ziehen der Kettenzüge des Zierrahmens

19 – Lagerung Zierrahmen im Saal

 – Kantenschutz, Polsterung, Aufsetzen einzelner kurzer L-Profile auf der Gemäldevorderseite und Verbindung der Profile mit dem Transportwagen als Kippschutz

20 – Neigung der Längsachse Bildtafel-Transportwagen um etwa 70 Grad, so dass die Längsachse waagrecht ist, durch Anziehen der Kettenzüge in Achse I und Nachlassen der Kettenzüge in Achse III

21 – Neigung der Querachse Bildtafel-Transportwagen um etwa 25 Grad nach Süden, so dass der Transportwagen auf den Fußboden abgesetzt werden kann

22 – Absetzen Bildtafel – Transportwagen auf dem Fußboden (Arbeitsposition 1)

23 – Lösen der vier Kettenzüge von den Quertraversen

24 – Demontage Quertraversen / Montage Längstraversen

27 – Drehung der Querachse Bildtafel-Aussteifungsrahmen um 90 Grad (die Querachse der Bildtafel hat nun eine Neigung zur Horizontalen von etwa 65 Grad)

28 – Absetzen Bildtafel – Transportwagen auf dem Fußboden (Arbeitsposition 2)

29 – Lösen der vier Kettenzüge

30 – Demontage Längstraversen

31 – Entfernen der Kettenzüge

32 – Sichtung der Bildtafel

36 – Fahrt durch die Türen in den Lager-Raum

(…)

Im Lager-Raum wurde die Bildtafel mit dem Transportwagen an einem weiteren Gerüst aufgehängt, erneut mit Hilfe der Traversen in die Vertikale gedreht und unter Beibehaltung des rückwärtigen Aufbaus an der Wand gesichert.

Zur Freude und Erleichterung aller hat das Tafelgemälde “Die Himmelfahrt Mariae” seinen neuen Platz vollkommen unbeschadet erreicht und kann dort geschützt auf die Fertigstellung der Umbaumaßnahmen am Museum und auf seine Rückreise warten.

 

Das Team:

  • Andreas Nabrotzky, Kunstpalast Düsseldorf, Leiter Infrastruktur und Technik
  • Bastian Erhard, Kunstpalast Düsseldorf, stellv. Leiter Infrastruktur und Technik
  • Roland Mönninghoff, Kunstpalast Düsseldorf, Museum- und Ausstellungstechnik, Schreiner
  • Eberhard Schollmeyer, Kunstpalast Düsseldorf, Museum- und Ausstellungstechnik, Schreiner
  • Dr. Bettina Baumgärtel, Kunstpalast Düsseldorf, Leiterin der Gemäldegalerie
  • Jürgen Bandsom, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf, Restaurator Holz
  • Inken Maria Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf, Restauratorin Gemälde
  • LVR – Zentrum für Medien und Bildung Landschaftsverband Rheinland, Medienzentrum für die Landeshauptstadt Düsseldorf, Medienproduktion Sachgebiet Foto, Dokumentation
  • Ludger Jacobs, Jacobs-Bühnentechnik, Kamp Lintfort, Gerüste, Hebezeuge und Transportwagen
  • Büro Bergmann, Pfaffenhofen a. d. Ilm, Technische Beratung und Planung

 

Peter Paul Rubens, Die Himmelfahrt Mariae, um 1616-1618, Öl auf Holz, 429 x 284 cm, ©Kunstpalast, Dauerleihgabe der Kunstakademie Düsseldorf (NRW) – Detailabbildung
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf
© Kunstpalast – Inken M. Holubec, Restaurierungszentrum Landeshauptstadt Düsseldorf