Der Bau der heutigen Stadtkirche St. Jakob in Rothenburg o. d. Tauber wurde 1311 begonnen und 1484 abgeschlossen. Die Kirche war zwar nie durch Kriege zerstört worden, doch die Zeit hatte sowohl den Dachwerken als auch dem Nautursteinmauerwerk erheblich zugesetzt. Die Anfang des 20. Jahrhunderts ausgewechselten Strebebögen zeigten auffällige Risse.
Die Stadtkirche St. Jakob in Rothenburg o. d. Tauber
Teile des romanischen Vorgängerbause sind im Bereich der heutigen Sakristei noch vorhanden. Zunächst als Kirche des Deutschen Ordens begonnen, ging Ende des 14. Jahrhunderts die Finanzierung und damit auch der Besitz an die Bürger der freien Reichsstadt Rothenburg über.
Das Bauwerk ist nahezu vollständig als gotisches Bauwerk entstanden: Chor mit Pfeilervorlagen, Langhaus mit Strebebögen und Seitenschiffen, zum Teil auch mit Seitenkapellen. Zur Aufnahme des Heiligblutaltars von Tilman Riemenschneider wurde ab 1453 im Westen ein Hochchor errichtet. Die Jakobskirche wurde weder geplündert noch durch Kriege geschädigt.
In einer großen Instandsetzung Anfang des 20. Jahrhunderts wurden große Teile des Mauerwerks überarbeitet und zum Teil auch ausgewechselt. Auch einige Strebebögen wurden damals erneuert. Die Bauzier wurde großteils kopiert. Die Originale sind heute noch im Museum zu besichtigen.
Die Jakobskirche ist aus Sandstein und Muschelkalk errichtet. Muschelkalk taucht zunächst nur vereinzelt im Mauerwerk und in den Gewänden auf, später jedoch häufiger bei den Reparaturen. Man kann davon ausgehen, dass alle Steine nahe Rothenburg gewonnen wurden. Das Mauerwerk wurde entweder als Bruchsteinmauerwerk oder aber als quadersichtiges Mauerwerk ausgeführt. Bei letzterem war zwar die Ansicht quaderförmig, die innenliegenden Seiten der Steine jedoch nur grob behauen. Zur Verfüllung des innen liegenden Mauerwerks wurden Bruchsteine verwendet. Die Strebepfeiler, die Strebebögen und die Bauzier wurden aus Werksteinen, also allseitig bearbeiteten Sandsteinen oder Muschelkalk errichtet.
Die Dachwerke sind aus Fichten- und Tannenholz verzimmert. Für die Mauerlatten hatte man Eichenhölzer verwendet. Dentrochronologische Untersuchungen ergaben für das Dachwerk über dem Ostchor eine Erbauung im Jahr 1347, für das Langhaus wurde 1398 ermittelt und das Dachwerk über dem Westchor stammt aus dem Jahr 1470. 1481 wurde in das Dachwerk des Ostchors nachträglich ein liegender Stuhl eingebaut. Die Dachdeckung dürfte mehrfach ausgewechselt worden sein.
Die Glasfenster im Chor dürften aus der Zeit zwischen 1346 und 1354 stammen uns sind somit die ältesten in ihrem ursprünglichen Kontext verbliebenen Farbfenster in Franken.
Teile der Vorgängerkirche sind heute noch erhalten und bilden das Erdgeschoss der Sakristei und die nördliche Chorbogenschulter.
Die Kirche war zwar nie durch Kriege zerstört worden, doch die Zeit hatte sowohl den Dachwerken als auch dem Nautursteinmauerwerk erheblich zugesetzt: nahezu alle Verfugungen waren schadhaft, viele Werksteine zeigten schalenförmige Ablösungen. Die Dachwerke waren stark verformt und an vielen Stellen durch eindringende Feuchte und nachfolgenden Pilzbefall zerstört. Die Anfang des 20. Jahrhunderts ausgewechselten Strebebögen zeigten auffällige Risse, die auf eine instabile Lastabtragung hindeuteten.
Die Baumaßnahme wurde in fünf Bauabschnitte unterteilt. In einem ersten Abschnitt wurde der Nordturm mit seiner filigranen Steinhaube und die Strebebögen der Achse 4 instandgesetzt. Danach folgte der östliche Chor und der Südturm. Im 3. und 4. BA wurde das Langhaus überarbeitet. Das Westwerk bildet als 5. BA den Abschluss.
Wesentliches Element der statischen Instandsetzung waren die Ertüchtigung der jüngeren Strebebögen. Hier wurden das Mauerwerk der Bögen durch zusätzliche Spannanker armiert. Die Lastabtragung folgt nun der idealen statischen Linie, ähnlich der Lastabtragung der noch vorhandenen gotischen Strebebögen. Desweiteren wurden die filigranen Maßwerke der beiden Turmspitzen stabilisiert.
Zusätzlich wurden noch eine Naturstein-Treppenanlage erneuert und Glasabtrennungen im Kircheninneren eingebaut. Der Kassenbereich mit Shop erhielt eine neue, variable Möblierung.
Die Baumaßnahmen haben 2005 begonnen. Die Einweihung nach der Instandsetzung erfolgte Mitte 2011. Letzte Restarbeiten wurden 2012 durchgeführt.
Beteiligte:
- Bauherr: Evang.-Lutherisches Pfarramt Rothenburg, Herr Dekan Gross
- Maßnahmenträger: Evang.-Lutherisches Landeskirchenamt München
- Objektplanung: Büro Bergmann
- Tragwerksplanung: Büro Bergmann
- SiGeKo: Büro Burkart, Rothenburg
- Denkmalschutz: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Herr Habres
- Beratung und Fachbauleitung Naturstein: Steinwerkstatt, Regensburg
- Beratung Mörtel und Putze: Büro Dr. Schuh & Dr. Ettl, München
- Baugrundgutachten: LGA Nürnberg, Herr Knappe
Das Büro Bergmann führte folgende Leistungen aus:
- Gutachten zur Standsicherheit
- Geodätische Aufmaße des gesamten Bauwerks und aller Details
- Objektplanung
- Entwurf Möblierung Kassenbereich/Shop
- Tragwerksplanung
Die Jakobskirche in Rothenburg - Für die Ewigkeit gebaut?
Veröffentlichung zur Fertigstellung der Instandsetzungsarbeiten
Dr.-Ing. Norbert Bergmann, 2011
Die Jakobskirche wurde in drei Abschnitten erbaut: 1311 – 1336 der Ostchor und die beiden Türme; 1373 – 1398 das Langhaus und 1453 – 1471 der Westchor. Mit der Weihe am 17. April 1485 dürfte die Jakobskirche im wesentlichen wohl fertig gewesen sein.
Die Jakobskirche ist aus Sandstein und Muschelkalk errichtet. Muschelkalk taucht zunächst nur vereinzelt im Mauerwerk und in den Gewänden auf, später jedoch häufiger bei den Reparaturen. Man kann davon ausgehen, dass alle Steine nahe Rothenburg gewonnen wurden. Das Mauerwerk wurde entweder als Bruchsteinmauerwerk oder aber als quadersichtiges Mauerwerk ausgeführt. Bei letzterem war zwar die Ansicht quaderförmig, die innenliegenden Seiten der Steine jedoch nur grob behauen. Zur Verfüllung des innen liegenden Mauerwerks wurden Bruchsteine verwendet. Die Strebepfeiler, die Strebebögen und die Bauzier wurden aus Werksteinen, also allseitig bearbeiteten Sandsteinen oder Muschelkalk errichtet.
Die Dachwerke sind aus Fichten- und Tannenholz verzimmert. Für die Mauerlatten hatte man Eichenhölzer verwendet. Dendrochronologische Untersuchungen ergaben für das Dachwerk über dem Ostchor eine Erbauung im Jahr 1347, für das Langhaus wurde 1398 ermittelt und das Dachwerk über dem Westchor stammt aus dem Jahr 1470. 1481 wurde in das Dachwerk des Ostchors nachträglich ein liegender Stuhl eingebaut. Die Dachdeckung dürfte mehrfach ausgewechselt worden sein.
Die Glasfenster im Chor dürften aus der Zeit zwischen 1346 und 1354 stammen uns sind somit die ältesten in ihrem ursprünglichen Kontext verbliebenen Farbfenster in Franken.
Teile der Vorgängerkirche sind heute noch erhalten und bilden das Erdgeschoss der Sakristei und die nördliche Chorbogenschulter.
Frühere Reparaturen
Die Kirche steht doch schon seit 700 Jahren, warum sollte Sie einstürzen? So oder ähnlich haben viele Fragen in den letzten sieben Jahren geklungen. Die Jakobskirche ist tatsächlich noch nie eingestürzt, noch nicht einmal ein kleiner Teil davon. Dies ist schon bemerkenswert. Die Jakobskirche hat eindrucksvoll bewiesen, dass sie allen Stürmen und Belastungen stand gehalten hat. Sie ist jedoch nicht zufällig und ohne menschliches Zutun stehen geblieben. Immer wieder wurde die Kirche repariert. In der Renaissance und im Barock gab es große Umgestaltungen der Fassaden, wohl auch mit Reparaturen des Mauerwerks. Im 18. Jh. wurden Teile des des nördlichen Glockenturms ergänzt. In einer großen Bau- und Reparaturphase von 1906 bis 1914 wurde unter der Leitung von Architekt Häffner die Jakobskirche umfassend instandgesetzt: Das aufgehende Mauerwerk und die Strebepfeiler wurden repariert, die Dachwerke über den Seitenschiffen wurden wieder der ursprünglichen Form angepasst. Die Strebebögen 4 bis 7 auf der Südseite wurden abgebaut und vollständig erneuert. Dass es im 2. Weltkrieg nicht zu einer Katastrophe gekommen war, war nur dem beherzten Eingreifen der Rothenburger zu verdanken, die die Brandbomben noch rechtzeitig aus dem Dachwerk entfernen konnten. Der nördliche Turmhelm wurde 1932 in Teilen repariert, der südliche Turmhelm wurde 1935 und 1971 fast vollständig erneuert. 1981 wurden über den Seitenschiffen Stahlbetondecken eingebaut.
Betrachtet man heute die Dächer der Jakobskirche, so findet man Ziegel aus vielen Jahrhunderten. Zwar nicht mehr aus der Bauzeit, doch aber sicher aus der Renaissance, aus dem Barock und aus den letzten beiden Jahrhunderten. Die Dachdeckungen spiegeln damit sehr anschaulich die Reparaturgeschichte der Jakobskirche wider.
Schäden und Mängel
Während früher viele Bauwerke erst repariert wurden, wenn Schäden offensichtlich waren, fordern die heutigen Bauvorschriften mehr Sicherheiten, also mehr Tragreserven. Bauwerke dürfen nicht einstürzen. Öffentliche Bauwerke werden deshalb regelmäßig untersucht. Von 2001 bis 2003 wurde die Jakobskirche umfassend auf Schäden und Mängel hin untersucht. Damit auch die Standsicherheit beurteilt werden konnte, wurde die Jakobskirche vollständig geodätisch aufgemessen. Es gibt nun exakte Pläne der Baukonstruktionen im Maßstab 1:50 mit einer Genauigkeit von +/- 2 cm. Für alle wichtigen Teile wurden sogar Zeichnungen mit einem steingerechten Aufmaß angefertigt. Zur Untersuchung der Baugeschichte wurden umfassende Fassaden- und Detailpläne, viele Fotodokumentationen und restauratorische Befunde erarbeitet.
Kommt es zu Zerstörungen der Baukonstruktionen z. B. durch eindringende Feuchte und nachfolgendem Pilzbefall oder durch Frost, so spricht man von Schäden. Mängel dagegen bezeichnen einen Zustand, wenn erforderliche Konstruktionen nicht ihre Aufgabe erfüllen können oder nicht (mehr) vorhanden sind. Schäden in den Werkstoffen erkennt man in der Regel mit bloßem Auge, Mängel in den Baukonstruktionen dagegen sind weniger offensichtlich. Im Falle der Statik können Mängel nur mit Hilfe von Berechnungen erkannt werden.
Die Jakobskirche hatte vergleichsweise wenige Schäden. Viele Schäden hatte man schon repariert, bei einigen stand die Reparatur oder Ergänzung noch aus.
Die Schäden lassen sich in drei Gruppen gliedern:
Das Dachwerk: Die Mauerlatten der Dachwerke, also die beiden Eichenbalken zwischen Mauerkrone und Dachwerk zeigten an einigen Stellen Zerstörungen durch eindringende Feuchte und nachfolgendem Pilzbefall. Hierdurch kam es zu einer vertikalen Absenkung des Dachwerks an dieser Stelle und ein Verdrehen der einzelnen Holzverbindungen. Bei manchen Holzverbindungen brach der Holznagel oder die Verbindung ging auseinander.
Das Mauerwerk: Durch eindringendes Wasser kam es beim Mauerwerk zu einzelnen Frostschäden und zu einer umfangreichen Korrosion der für den Erhalt des Mauerwerks so notwendigen Eisendollen oder -klammern. Diese Korrosion führt zu einer Volumenvergrößerung des eingebauten Eisens und letztendlich zu einem Aufsprengen der jeweiligen Werksteine durch den Korrosionssprengdruck. Solche Korrosionsschäden waren nahezu an allen Bauteilen der Jakobskirche vorhanden: An den Turmhelmen, an den Balustraden und Turmschäften, an den Strebepfeilern und Strebebögen und an der Bauzier. Alle Putze und ein Großteil der Fassaden zeigten zum Teil gravierende Verwitterungen.
Die Strebebögen: Zahlreiche Risse vorwiegend in den jüngeren Strebebögen und den Fialen kennzeichneten umfangreiche Verformungen des Bauwerks quer zu seiner Längsachse. Mörtelfugen hatten sich geöffnet. Zum Teil durchzogen die Risse auch die Werksteine.
Dass die Schäden wiederum Anlass für eine umfassende Instandsetzung sein würden, war offensichtlich, doch welche Mängel hatte das Bauwerk? Wie stand es um die Standsicherheit?
Zur Standsicherheit
Haben sich Konstruktionen verformt, z. B. beim Dachwerk über dem Langhaus, so dürfte hier auch ein Mangel vorliegen: Baukonstruktionen die sich bewegt haben oder immer noch bewegen haben offensichtlich kaum Tragreserven. Anders ist die Beurteilung von Mauerwerk und Gewölben. Hier zeigen sich Bewegungen meist durch die hierbei eingetretenen Deformationen und Risse. Doch ist jeder Riss bereits die Ankündigung eines Versagens?
Standsicherheit ist der Abstand zwischen dem aktuellen Zustand des Bauwerks und seinem möglichen Versagen, also seinem Einsturz. Sind die Sicherheiten klein, z. B. infolge der Alterung der verwendeten Materialien oder der Zerstörung einzelner Bauteile so kann es bei einem schweren Unwetter zu einem Versagen des ganzen Bauwerks kommen. Der Gesetzgeber fordert deshalb eine ausreichende Sicherheit für Bauwerke. Die jeweiligen Sicherheiten der verschiedenen Baumaterialien und unterschiedlichen Baukonstruktionen sind in Normen und Richtlinien festgelegt. Zwar gelten diese meist nur für die heutigen Baustoffe und den daraus errichteten Bauwerken. Überträgt man jedoch die konstruktionsbedingten Aussagen auf die historischen Baustoffe und das daraus errichteten Bauwerk, so lassen sich auch verlässliche Aussagen über deren Lastabtragung und Beanspruchung machen. In der Regel sollten historische Gebäude mindestens eine eine Sicherheit von 1,5 aufweisen, also eine Tragreserve von 50% haben.
Instandsetzung 2005 bis 2011
Statische Berechnungen zur Lastabtragung der Dachwerke zeigten ausreichende Standsicherheiten für den Fall der wieder geschlossenen Verbindungen. Hier genügte es, die vorhandenen Schäden zu reparieren und die bauzeitlichen Konstruktionen wieder herzustellen.
Die Helme der beiden gotischen Türme sind ein markantes Zeichen für Rothenburg. Sie sind aus Sandstein und aus Muschelkalk gefertigt. Aus Werksteinen zusammengefügte Pfeiler für die Grate und aus mehrteiligen durchbrochenen Platten für die Flächen, zusammen gespannt mit geschmiedeten eisernen Zugbändern. Die exponierte Lage führte zu einer überproportionalen Verwitterung. Der südliche Turmhelm war bereits zu einem früheren Zeitpunkt umfassend instandgesetzt worden. Hier galt es nur die Kreuzblume zu erneuern. Der nördliche Turmhelm zeigte trotz seiner Reparaturen aus dem Jahr 1935 wieder umfassende Schäden. Sowohl die Grate als auch die Füllungen waren gebrochen. Jüngere Ergänzungen hatten wohl nicht die gleiche Dauerhaftigkeit wie die bauzeitlichen Konstruktionen. Ursache für die Schäden waren sowohl die exponierte Lage und die dadurch extreme Beanspruchung durch Wind aber auch durch die Beanspruchung aus Regen und Frost. Die filigranen Bauteile waren durch die Abwitterung der Oberflächen so weit geschädigt, dass der Restquerschnitt der statischen Beanspruchung nicht mehr gewachsen war. Detailaufmaße und statische Berechnungen zur räumlichen Lastabtragung belegten die enorme Beanspruchung des Turmhelms. Insbesondere die Lage der Schäden an den erneuerten Bauteilen der durchbrochenen Flächen korrelierte mit der rechnerischen Simulation. Das verwendete Material war offensichtlich überlastet.
Bei der Erneuerung der Bauteile wurde die erforderlichen statischen Festigkeiten bei jedem neu einzubauenden Teil überprüft. Bereits im Steinbruch wurden die Steine vorsortiert und Proben entnommen. Diese wurden dann im Labor auf ihre Festigkeit überprüft: Hier waren Tragreserven von mindestens 50 % nachzuweisen. Erst nach dieser Beprobung wurden die Stein angekauft und in die Bauhütte geliefert. Jeder neue Stein wurde passgenau nach dem zu reparierenden Stein gearbeitet. Die Reparaturen erfolgten in situ: d. h. der auszuwechselnde Werkstein wurde ausgebaut und der neue Werkstein eingefügt. Hierbei wurden alle übrigen Werksteine des Turmhelms ausgesteift und mit Abstützungen in ihrer Lage gehalten. Es durfte jeweils nur eine der acht Streben bearbeitet werden. Heute ist der nördliche Turmhelm wieder vollständig, zusammengesetzt, aus Werksteinen aus mindestens vier Bauphasen. Ob die ältesten Steine aus der Erbauungszeit um 1230 sind, bleibt Spekulation. Sie dürften jedoch noch der Gotik zuzuordnen sein.
Architekt Häffner hatte 1906 die Strebepfeiler und Strebebögen untersucht und gravierende Schäden festgestellt. Die Strebepfeiler wurden in den folgenden Jahren umfassend repariert. Von den 12 Strebebögen wurden auf der Südseite alle und auf der Nordseite zwei überarbeitet. Die vier östlichen Strebebögen auf der Südseite wurden hierbei offensichtlich vollständig erneuert. Hierbei veränderte Häffner sowohl den Steinschnitt als auch die Bogenform: Die Oberseite wurde nun gerade.
Doch die südlichen Strebebögen und die angrenzenden Fialtürmen zeigten bald wieder Verformungen und neue Risse. 1981 wurden deshalb oberhalb der Gewölbe über den Seitenschiffen neue Stahlbetondecken eingezogen und die Bogenwiderlager darin rückgeankert. Leider nicht mit dem erhofften Erfolg. Im Jahr 2000 zeigten sich wiederum umfassende Risse in den Bogenwiderlager und geöffnete Fugen in den Strebebögen. Die aus der Erbauungszeit stammenden übrigen Strebebögen dagegen zeigten zwar starke Verwitterungen, jedoch keine Schäden, die auf eine Verformung schließen ließen.
Die Form der geschädigten Strebebögen wurden exakt vermessen und mit Hilfe von komplexen statischen Berechnungen deren innere Beanspruchung unter verschiedenen Belastungen ermittelt. Mit Hilfe dieser rechnerischen Simulationen konnte nachgewiesen werden, dass sowohl die von Häffner gewählte Bogenform als auch die Lage der Fugen insbesondere im Auflager der Fialen die Lastabtragung der Gewölbekräfte über die Strebebögen in das aufgehende Mauerwerk der Außenwände ungünstig beeinflusste. Es kam offensichtlich punktuell zu Überlastungen des Mauerwerks. Statische Berechnungen zur Lastabtragung der gotischen Strebebögen zeigten diese lokale Überbeanspruchungen nicht. Hier waren die Beanspruchungen deutlich gleichmäßiger. Die in den statischen Berechnungen erkennbaren Überlastungen korrelierten signifikant mit den vor Ort erkennbaren Deformationen und Rissen. Im Zuge der nun abgeschlossenen großen Instandsetzung wurden alle jüngeren Strebebögen ertüchtigt. Es wurden mehrere Alternativen untersucht. Der Rückbau der neueren Strebebögen und eine Wiederherstellung der alten Konstruktion wurde verworfen, stattdessen sollte der Bestand vollständig erhalten und durch zusätzliche Maßnahmen ertüchtigt werden. Hierzu wurden die Strebebögen auf ihrer gesamten Länge zweimal durchbohrt und jeweils ein Spannanker eingebaut. Zur Aktivierung der inneren Lastabtragung wurden die Eisenstangen vorgespannt. Zur Kompensierung der Überbeanspruchungen des Mauerwerks im Bereich der Auflager wurden die Fialen vertikal durchbohrt und vier Rundeisen eingebaut.
Vieles konnte in den vergangenen sieben Jahren repariert, erneuert und restauriert werden. Die Jakobskirche hat wieder Kräfte gesammelt für die Zukunft. Die Glocken dürfen wieder läuten. Und doch zeigt sich die Vergänglichkeit an vielen Stellen: Fast alle Steinfiguren stehen im Museum. Kopien haben deren Aufgabe übernommen.
Gotische Kirchen sind besondere Bauwerke: errichtet zur höheren Ehre Gottes, von den besten Baumeistern entworfen und von vielen Generationen gebaut. 168 Jahre dauerte es von der Grundsteinlegung im Jahr 1311 bis zur Einweihung von St. Jakob im Jahr 1479. Zum Zeitpunkt ihrer Erbauung war St. Jakob sehr modern, innovativ in der Bautechnik und spektakulär bis an die Grenze des Machbaren. Gotische Kirchen sind Minimalkonstruktionen der Bautechnik. Wünschen wir der Jakobskirche eine schadensfreie Zukunft, damit wir sie erst wieder in 100 Jahren einrüsten müssen.
Dauern die Werke? So lange
Als bis sie fertig sind.
So lange sie nämlich Mühe machen
Verfallen Sie nicht. “
(Bert Brecht)