Das Treppenhaus in der Residenz in Würzburg wurde 1749 durch Balthasar Neumann erbaut und von 1750 bis 1753 durch Giovanni Baptista Tiepolo ausgemalt. Im Vorfeld der umfangreichen Restaurierung des Deckengemäldes sollte von ingenieurtechnischer Seite das Gewölbe überprüft und eine Gefährdung beurteilt werden.
Analyse zur Gewölbetragwirkung
Im Vorfeld der umfangreichen Restaurierung des Deckengemäldes in den Jahren 2005 bis 2009 sollte von ingenieurtechnischer Seite das Gewölbe überprüft und eine Gefährdung der Putze hinsichtlich statisch relevanter Veränderungen beurteilt werden. Auffällige Verformungen, insbesondere der Nord-West-Ecke, gaben hierzu den Anlass.
Das Gewölbe überspannt das gesamte Treppenhaus. Das Gewölbemauerwerk besteht aus behauenem Tuffquadern und Kalkmörtel mit auf der Oberseite ausgebildeten Rippen in Form eines Spantengewölbes. Die Gewölbestärke beträgt etwa 24 bis 30 cm. Die im Verband mitgemauerten Gewölberippen auf der Oberseite haben eine Gesamtdicke von 40 bis 45 cm. Musste in dem Auflagermauerwerk der Wände eine Öffnung überbrückt werden, so findet sich im Mauerwerk des Gewölbes ein entsprechender Entlastungsbogen. Das Mauerwerk der beiden Gebäudequerwände war bauzeitlich verschlaudert.
Bauzeitlich bildete das Gewölbe mit dem Dachwerk eine statische Einheit. Zunächst wurde das Dachwerk als einseitiges Walmdach mit außermittigem First errichtet, danach erfolgte die Einwölbung. Das aufgehende Mauerwerk besitzt auf allen Seiten eiserne Rückankerungen in das Dachwerk, zum Teil wurden diese bei der Einwölbung eingemauert. Die Grate der Einwölbung wurden zusätzlich mit horizontal liegenden Schlaudern stabilisiert. Als Dachdeckung wurde möglicherweise Schiefer verwendet. Das bauzeitliche Dachwerk fiel dem 2. Weltkrieg zum Opfer, wie so vieles andere in der Residenz. Das Gewölbe über dem Treppenhaus stürzte jedoch nicht ein. Ein Notdach verhinderte danach größere Schäden durch eindringende Feuchtigkeit. Nach dem Einsturz des Dachwerks wurden die eisernen Rückankerungen nicht wiederverwendet. Nur eine längslaufende Schlauder im westlichen Gewölbekämpfer dürfte heute noch eine statische Funktion ausüben.
Auf der Gewölbeoberseite zeigt das Tuffsteinmauerwerk eine von Süd nach Nord abnehmende Genauigkeit im Steinschnitt. Risse sind auf der Gewölbeoberseite nicht zu erkennen. Auf der Gewölbeunterseite zeigen sich zahlreiche, meist nur wenige Zehntel-Millimeter breite Risse sowie je ein ausgeprägtes Riss-System in den Gewölbeecken und unter der Schwächung der Rippen am Scheitel. Nach bisherigem Kenntnisstand sind in den Gewölbeecken hohlliegende Putze vorhanden.
Für die statische Analyse standen ein vollständiges Aufmass des Treppenraums und die diskreten Koordinaten der Gewölbeuntersicht zur Verfügung. Aus den Koordinaten wurde ein Netz generiert und dieses dann für eine statische Berechnung mittels Finite-Elemente-Methode nach Theorie 1. Ordnung genutzt. Als Werkstoff-Kennlinie diente ein linear-elastisches Verhalten. Zur Überprüfung der Ergebnisse wurde das Gewölbe auch in einzelnen Querschnitten analysiert. Diesmal mit einer nichtlinear-elastischen Werkstoffkennlinie und nach Theorie 2. Ordnung. Beide Rechenergebnisse waren identisch. Das Gewölbe wird bis auf geringe Bereiche fast ausschließlich durch Druckkräfte beansprucht. Damit entspricht die Formgebung des gesamten Gewölbes über dem Treppenhaus der Würzburger Residenz fast an jeder Stelle dem Ideal eines Gewölbes, also der Form, bei der die geringsten Biegebeanspruchen auftreten.
Für die anstehende Restaurierung ergaben sich aus statischer Sicht keine Hinweise auf eine Gefährdung der Putze.
Die statischen Fragen zum Tragverhalten räumlicher Gewölbe wurde 1735 gelöst und publiziert. Der Konstrukteur des Gewölbes über dem Treppenhaus in der Residenz Würzburg war Militär-Ingenieur. Man kann davon ausgehen, dass er dieses Wissen hatte und möglicherweise auch diese Veröffentlichung kannte. Es war Balthasar Neumann.