Das Galeriegebäude Herrenhausen in Hannover

Das Galeriegebäude Herrenhausen in Hannover wurde 1694 bis 1698 durch den Hofbaumeister J. P. Wachter erbaut. Durch die Kriegsschäden, aber auch durch große Schäden infolge eindringender Feuchtigkeit und nachfolgendem Pilzbefall war die stuckierte Decke in Gefahr.

Die Stuckierung stammt von Dossa Grana und Pietro Rosso und wurde wohl 1695 ausgeführt. Die Ausstattung des Gebäudes geriet so prächtig, dass die zunächst geplante Nutzung als Orangerie aufgegeben wurde und das Bauwerk von Kurfürstin Sophie als Festsaal mit Privatgemächern genutzt wurde. Das Galeriegebäude wurde im 2. Weltkrieg von Bomben getroffen, jedoch nicht zerstört. Im Gegensatz zu dem schwerbeschädigten Schloss unmittelbar nebenan wurde das Galeriegebäude nicht aufgegeben.

Durch die Kriegsschäden, aber auch durch große Schäden infolge eindringender Feuchtigkeit und nachfolgendem Pilzbefall war die stuckierte Decke im Bereich des Mittelrisalits wohl um ca. 25 cm abgesackt. In den 70er Jahren des 20. Jh. wurde ein umfangreicher Befall der Dachfußpunkte durch den Echten Hausschwamm festgestellt. In der sich daran anschließenden Instandsetzung wurden alle Sparrenfüße und die Zerrbalkenköpfe bis in den nicht mehr befallenen Bereich rückgeschnitten und mit Stahlträger beigelascht. Die form- und kraftschlüssige Verbindung zwischen Sparren und Zerrbalken wurde mit einem Beton hergestellt. Zur Herstellung der Regendichtigkeit der Schieferdeckung wurden alle Fugen innenseitig mit einem PU-Schaum geschlossen.

1997 wurde im Zuge einer routinemäßigen Überprüfung eine Lockerung der Stuckierung festgestellt. Die gesamte Flachdecke erhielt eine Absturzsicherung aus einer daruntergehängten Sperrholzdecke.

Soweit das Provisorium. Doch eine Lösung auf Dauer war damit nicht erreicht. Nun folgten umfangreiche Untersuchungen zur Ursache und Auswirkung. Die Decke hatte eine Dicke von 4 bis 7 cm. Das Bindemittel war Gips. Als Putzträger war Schilfrohr mit einem Draht von unten gefasst und mit Nägeln an den Latten bzw. den Deckenbalken befestigt. Die Stuckbänder besaßen einzelne geschmiedete Nägel . Aus einer Restaurierungsphase in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts stammten die zusätzlichen Verschraubungen und sog. Kippdübel. Der Zustand der Drahtbindungen und der Nägel war Besorgnis erregend. Die Nägel hatten nur noch einen geringen Teil ihrer ursprünglichen Dicke, der Draht war vielfach durchgerostet. Mit einem Absturz der Decke war jederzeit zu rechnen.

Auf die Frage nach den Einflussgrößen auf die Decke ergaben sich mehrere Antworten:

  • Die Deckenbalken dienen fast ausschließlich der Lastabtragung aus dem Eigengewicht der stuckierten Flachdecke.
  • Der Dachraum oberhalb der Flachdecke hat keine Wärmedämmung. Das Klima im Dachraum folgt im Wesentlichen dem Außenklima. Durch die intensive Nutzung des Saales für Veranstaltungen kommt es zu einem sehr großen Kondensatanfall in der Flachdecke.
  • Die stuckierte Flachdecke wird über einen Überzug und Hängesäulen in das Dachwerk aufgehängt. Durch die Feuerwerkswettbewerbe in den Herrenhäuser Gärten kommt es zu erheblichen dynamischen Beanspruchungen der Dachwerke und der Decke.
  • Die Dachdeckung ist undicht, in Folge wird die Flachdecke durchfeuchtet.

Die drohende Absturz der stuckierten Flachdecke hatte offensichtlich mehrere Ursachen: lang anhaltende Durchfeuchtungen von oben aber auch von unten hatten die Drähte und Nägel durch Korrosion zerstört; Bomben aber auch der Echte Hausschwamm haben die Dachwerke nachhaltig geschädigt; Dynamische Belastungen mit überproportionalen Schwingungen haben die Lebensdauer der verwendeten Materialien signifikant reduziert.

Die statische Analyse ergab für die Dachwerke keine wesentlichen Defizite. Auch die Deckenbalken waren ausreichend dimensioniert. Die eigentliche Decke mit ihren Rohrmatten, Drähten, Nägeln und Zwischenlattungen jedoch hatte keine Tragreserven. Sie stand offensichtlich unmittelbar vor einem Einsturz.

Alle Stuckierungen und Putze wurden vollflächig mechanisch gesichert. Dabei wurde ein federndes Auflager entwickelt. Die Federn erhielten eine degressive Federkennlinie: bei geringer Änderung der Kräfte konnten große Federwege genutzt werden. Alte und neue Aufhängung wirken miteinander. Versagt die Drahtaufhängung, kann die federnde Aufhängung die Decke halten.

Es wurden zwei Arten von Aufhängungen entwickelt und eingebaut:

  • Typ A: direkte Verankerung des Stuckprofils durch die Decke an die Deckenbalken. Hierbei wirkt das Stuckprofil als Lastverteiler.
  • Typ B: Verankerung der Putze über von oben eingemörtelte Gewindestangen M6. Hierzu wurde eine Gewindestange mit einer sog. Rampamuffe eingemörtelt. Zum Typ B zählte auch eine direkte Verschraubung der Gewindestangen in die Spanten der Hohlkehle.

Die Aktivierung der Aufhängungen erfolgte in mehreren Schritten bis zu einer Umlastung von ca. 60% der zu erwartenden Last. Eingebaut wurden 752 Aufhängungen vom Typ A und 1257 Aufhängungen vom Typ B.

Dynamische Messungen des Dachwerks und der Flachdecke zeigten deutliche Überschreitungen der für Baudenkmäler noch schadensfrei zu ertragenden Erschütterungen auf. Die Analyse erga sinusförmige Schwingungen sowohl über die gesamte Spannweite der Flachdecke mit einer Frequenz etwa 11 Hz, als auch für die halbe Spannweite.

Feuerwerkswettbewerbe können nicht abgesagt werden, also wurde das Schwingungsverhalten der Flachdecke angepasst: Zwei neue Überzüge in den Viertelspunkten der Decke versteifen die Balkenlage untereinander. Schwingungsdämpfer zwischen Mauerwerk und Flachdecke reduzieren die Amplituden der Schwingungen. Inzwischen beträgt die Beanspruchung der Decke bei einem Feuerwerk nur noch ca. 40%.

Zur Vermeidung von Kondensat in der Flachdecke wurde das Klima im Dachraum dem Klima im Saal angeglichen: die alten Lüftungsöffnungen in der Flachdecke wurden wieder geöffnet, damit ist ein Luftaustausch möglich. Die Dachhaut erhielt eine umfangreiche Wärmedämmung zwischen den Sparren. Damit können die Lufttemperaturen im Dachraum bis auf 2 °C an den Saal angeglichen werden. Steigt die Luftfeuchtigkeit im Saal um 10% gegenüber dem Dachraum, wird der Dachraum über die wiederhergestellten Kamine zwangsentlüftet und die Luft kann aus dem Saal in den Dachraum nachströmen. Die Erfahrungen der letzten 10 Jahre zeigen, dass diese Steuerung der Luftfeuchte nur bei Großveranstaltungen erforderlich wurde, bei kleineren Veranstaltungen gleicht das Gebäude das Klima von alleine aus.

Für das Galeriegebäude wurde ein Wartungskonzept erarbeitet. Alle Funktionen werden regelmäßig kontrolliert. Nach 10 Jahren wurden alle Aufhängungen detailliert überprüft und einzelne Aufhängungen repariert. Die Schadensquote über einen Zeitraum von 10 Jahren betrug 0,75%.