St. Gumbertus birgt eine tausendjährige Baugeschichte. Baumeister zahlreicher Generationen, wie Martin Echser, Heinrich Kugler, Gideon Bacher und Leopoldo Retti gaben dem Bau sein heutiges Bild. Dieses Zeugnis gilt es zu bewahren.
Zur Instandsetzung der 3-Turm-Fassade
Symbiose von Werkstein und Schmiedeeisen und ihre Folgen
Gotische Baumeister wollten hoch hinaus. Entsprechend dem damaligen Stand der Technik verwendeten sie hierfür Stein und Eisen: Stein für die unzähligen Werksteine, aus denen sie das Bauwerk fügten und Eisen für die notwendigen Schlaudern, um das Bauwerk zusammenzuhalten.
Als 1992 die 3-Turm-Fassade eingerüstet wurde, wusste noch keiner der Beteiligten, dass es 10 Jahre dauern würde bis die notwendigen Arbeiten zur Wiederherstellung der Standsicherheit abgeschlossen werden konnten. Doch die aus der Nähe festgestellten Schäden waren so groß, dass nur eine umfassende Reparatur des gesamten Turmes in Frage kam, wollte man nicht alle paar Jahre wieder von vorne anfangen. Wind und Regen hatten nicht nur die Oberfläche der Steine abgetragen, sondern auch die Mörtelfugen ausgewaschen. Eindringende Feuchtigkeit hatte die Eisenschlaudern durch Korrosion fast vollständig zerstört. Dabei waren auch zahlreiche Werksteine auseinander gesprengt worden.
Zunächst wurde die am stärksten gefährdete Turmspitze abgetragen und das im Inneren der Turmspitze verborgene Stabilisierungsgerüst aus Eisen erneuert. Danach erfolgte der Wiederaufbau der Turmspitze unter Verwendung aller noch intakten Werksteine. In den darunter liegenden Geschossen konnte das Mauerwerk in situ belassen werden, jedoch waren zum Teil massive Eingriffe in die tragende Bausubstanz notwendig.
Der wohl größte Eingriff erfolgte in der Glockenstube. Hier waren bei der Überarbeitung von Gideon Bacher 1594 – 1597 große Fenster in dem ursprünglich geschlossenen Turmschaft entstanden. Die Glockenstube erhielt ein innenliegendes Stahlfachwerk. Dieses wurde mit dem tragenden Mauerwerk zug- und druckfest verbunden, so dass von da an altes Mauerwerk und neue Stahlkonstruktion gemeinsam die Lasten abtragen. Viele Werksteine waren gebrochen oder durch das Wetter zerstört. Bei der Auswechslung der Steine mussten sich erfahrene Steinmetze streng an die Gesetze der Statik halten: Viele Zenter schwerer Steine mussten gehauen, auf das Gerüst transportiert und maßgenau eingesetzt werden. Manchmal war ein Austausch ohne Gefährdung der Standsicherheit nicht machbar; hier wurden die Steine belassen und mit nichtrostenden Stählen vernadelt, so z. B. die filigranen Mittelpfeiler in den Fensteröffnungen der Glockenstube.
Alle korrodierten Schlaudern wurden mit korrosions- und säurebeständigen Stählen erneuert. Danach wurden zur Stabilisierung des Mauerwerks alle Fugen mit Mörtel geschlossen und die Hohlräume im Inneren des Mauerwerks mit einer Kalk-Trass-Suspension verpresst.
Betrachtet man heute den Turm von St. Gumbertus, so erkennt man auf den ersten Blick nur einige helle Steine und das neue Zifferblatt der Uhr. Erst wenn man durch ein Fernglas schaut, erkennt man doch viele neue Teile: Schlaudern aus Edelstahl, neue Sockel unter den Brüstungen, neue Schallläden usw. Offensichtlich hat sich doch etwas getan, in den letzten 10 Jahren.
Eine Anmerkung zum Schluss: Dass Gideon Bacher ein tüchtiger Baumeister war, steht außer Zweifel, aber er ist nicht, wie bisher angenommen, der Erbauer des Mittelturmes. Dieser wurde nach neuesten Befunden wohl mit den Seitentürmen bereits Ende des 15. Jahrhunderts errichtet und von Gideon Bacher nur überarbeitet. Hierbei fügte er neue Fugen und Profile so geschickt ein, dass der Anschein erweckt wurde es sei ein Rustica-Mauerwerk der Renaissance.
Das barocke Dach über dem Kirchensaal
Zur Stabilisierung des Dachtragwerks
Im Jahre 1731 folgte Leopoldo Retti dem Ruf der Marktgrafen nach Ansbach und errichtete zwischen der gotischen Drei-Turm-Fassade im Westen und dem Schwanenritterchor der spätromanischen Vorgängerkirche einen repräsentativen Kirchenneubau.
Um die Gebäudebreite von 20 m zu überspannen konstruierte er 1736 ein 2-geschossiges Mansarddach mit doppeltem Hängewerk. Doch die Anschlüsse und Verschneidungen zu den vorhandenen Baukörpern dürften bereits bei der Erbauung Kopfzerbrechen bereitet haben. Die massiven Bindergespärre mussten asymmetrisch oder versetzt zueinander angeordnet werden. 2005 zeigen sich die Randgespärre auffällig deformiert: Die Zerrbalkenlage hat sich insbesondere im Westen auf eine Länge von wenigen Metern um über 10 cm abgesenkt. Die entstandenen Zwängungen führten bis zum Biegebruch eines Überzuges, Überbeanspruchungen ließen Hängeeisen reißen.
Nun sind die Zerrbalken ebenfalls die Deckenbalken der geputzten Flachdecke. Bei einer Hubsteigerbefahrung der Deckenuntersicht konnten über älteren Rissen mit Rissbreiten bis zu 3 mm, die im Zuge der letzten Innenrestaurierung von 1970 verkittet wurden, neue Risse vorgefunden werden. Die Bewegungen der Dachkonstruktion waren offensichtlich weiterhin anhaltend.
Am Westwalm sind im Dachraum Reste nachträglich eingestellter Ständerwände vorhanden. Diese tragen allerdings, wie man hätte folgern können, nicht zur Stabilisierung der Dachkonstruktion bei. Auch zeigt der alte Bretterbelag nachträglich verschlossene Öffnungen. Die Vermutung lag daher nahe, dass sich die Balganlage der von Johann Christoph Wiegleb 1736-39 erbauten Orgel an dieser Stelle befand.
Bei der gleichzeitig anstehenden Rekonstruktion der Wiegleb-Orgel bestand der klanglich begründete Wunsch, entsprechend der historischen Vorlage die Balganlage wieder im Dachraum über der Orgel anzuordnen. Dies bedeutet, in den Dachraum ein zusätzliches Gewicht von über 5 Tonnen zu integrieren.
Die Ergebnisse der statischen Berechnungen zeigten es auf: Die vorhandene Dachkonstruktion ist nicht ausreichend tragfähig, um die angreifenden Lasten aus Eigengewicht, Schnee und Wind verformungsarm aufzunehmen und zu den aufgehenden Außenwänden abzutragen. Eine zusätzliche Beanspruchung durch die Balganlage schied somit aus. Allein um die statischen Mängel des vorhandenen Daches zu beheben, werden zusätzliche Konstruktionen notwendig.
Für die Stabilisierung der Dach- und Deckenkonstruktion wurden Fachwerkträger gewählt; räumlich in vier Achsen angeordnet. Diese Fachwerkträger entlasten zum einen das Dach, zum anderen sollen sie das Gewicht der neuen Bälge zu den Mauerkronen hin abtragen, ohne dabei mit den Zerrbalken gekoppelt zu sein.
Durch Vorspannen und Anheben der Auflagerpunkte wurde nach der Montage der werkstattmäßig vorgefertigten Fachwerkträger der Kraftschluss zum bestehenden Dachwerk hergestellt. Erst danach wurde die Balganlage zwischen die Träger eingestellt. Sie ist dabei von der historischen Deckenkonstruktion entkoppelt.
Die Fachwerkträger konnten einen Teil der erforderlichen Umfassung der neuen Balgstube bilden und ergänzten hierbei die Ständerwände Wieglebs.