Die ehemalige Zisterzienser-Abteikirche Mariä Himmelfahrt wurde in den Jahren 1739 bis 1746 von Johann Michael Fischer erbaut und zählt zu den wichtigsten Barockdenkmälern Bayerns.
Untersuchung zur Standsicherheit der Gewölbe
Die Gewölbe der Klosterkirche Maria Himmelfahrt in Fürstenzell hatten viele Risse. Die Gewölbe bewegten sich seit ihrer Erbauung. Immer wieder gab es Baumaßnahmen, doch ein stabiler Zustand wurde nie erreicht. Das ehemalige Landbauamt Passau beschloss deshalb eine umfassende Untersuchung.
Die Kunst des Wölbens
Gemauerte Gewölbe aus Ziegelsteinen sind in der Regel nur 1/2-Stein stark: d.h. sie werden mit Läufern gemauert. Die Spannweite erreicht nicht selten das Hundertfache der Gewölbedicke. So auch in Fürstenzell: Das Tonnengewölbe über dem Altarraum hat eine Gewölbedicke von 18 cm und eine Spannweite von 11,5 m. Im Langhaus überspannt das Tonnengewölbe bei gleicher Gewölbedicke einen Raum von 14,5 m.
Gewölbe entstehen in einem Formfindungsprozess: Es gibt für einen zu überbauenden Raum und einer festgelegten Gewölbehöhe nur eine ideale Form. Die Kunst des Wölbens besteht nun darin, diese ideale Form zu finden. Bei dieser stehen die äußeren Belastungen und die inneren Kräfte in einem Gleichgewicht.
Gemauerte Gewölbe werden in der Regel auf einem Lehrgerüst errichtet. Hierbei wird das Gewölbe aus Ziegel und Kalkmörtel gemauert und nach dem Setzen des Schlußsteines wird das Lehrgerüst abgesenkt. Der noch nicht ausgehärtete Mörtel wird durch den hierbei entstehenden Druck verdichtet und füllt den Raum zwischen den Ziegeln vollständig aus. Es kommt hierbei auch zu einer Verkürzung der Gewölbelänge und zu einer weiteren Absenkung des Gewölbescheitels. Entspricht die Gewölbeform nach der Absenkung nicht der idealen Form, wird sich das Gewölbe weiter verformen. Findet es hierbei immer noch kein Gleichgewicht, wird es letzten Endes einstürzen.
Ändern sich im Laufe der Zeit die Randbedingungen, z. B. wird die Belastung des Gewölbes erhöht oder erniedrigt oder werden die Widerlager der Gewölbe verschoben, so muss sich auch die Gewölbeform anpassen. Findet es hierbei nicht erneut seine ideale Form, wird dies wiederum zum Einsturz führen.
Die Tatsache, daß ein Gewölbe seit 250 Jahren besteht, ist leider kein Beweis für die ideale Form. Möglicherweise ist der aktuelle Zustand nur ein Augenblick auf dem Weg zum Gleichgewicht, oder zum Einsturz. Ob ein Gewölbe seine ideale Form besitzt, lässt sich allenfalls rechnerisch nachweisen.
Die ehemalige Zisterzienser Abteikirche Mariä Himmelfahrt in Fürstenzell wurde in den Jahren 1739 bis 1740 erbaut. Die einsturzgefährdete Vorgängerkirche wurde bis auf den nördlichen Glockenturm abgebrochen und an selber Stelle ein Neubau errichtet. Wegen der schwierigen Baugrundverhältnisse wurde der zunächst mit dem Bau beauftragte Architekt abgelöst und die Aufgabe dem Baumeister Johann Michael Fischer übertragen. Auf den bereits fertiggestellten Fundamenten errichtete er Langhaus und Chor aus Ziegel und Bruchsteinen. Die Dachwerke sind als Kehlbalkendach mit liegendem Stuhl konstruiert. Die Gewölbe bestehen aus Ziegelmauerwerk.
Bereits im Jahr 1741, also ein Jahr nachdem der Chor eingewölbt war, zeigten sich dort bereits so große Risse, dass das Dachwerk über dem Chorgewölbe verstärkt wurde und das Gewölbe an dieses aufgehängt werden musste. In den weiteren Jahren kam es immer wieder zu Schäden an den Gewölben. 1846 fallen Teile der Stuckierung im Chor herunter. Nachdem im Jahr 1864 auch im Langhaus Stuckierungen und Putze abgefallen waren, wurden 1866 die Dachwerke im Langhaus durch eiserne Rückankerungen verstärkt. Die Schäden am Langhaus nahmen jedoch weiter zu: 1892 sind im Gewölbescheitel ein großer Riss erkennbar. 1970 werden die Dachwerke umfangreich ergänzt, doch die Bewegungen gehen weiter: Der Gewölbescheitel im Langhaus hat sich im Zeitraum von 1988 bis 1990 um 6 mm gesenkt. Nachfolgende Messungen zeigten weitere Deformationen.
Einfluss auf die Standsicherheit eines Gewölbes haben neben der Geometrie und dem verwendeten Material im Wesentlichen seine Auflagerbedingungen. Zunächst steht das Gewölbe auf dem Mauerwerk der Außenwände. Diese werden durch das Dachwerk über dem Gewölbe zusammengehalten. In Fürstenzell war das Gewölbe zusätzlich in den sogenannten Drittelspunkten gegen das Dachwerk mit Holzstützen verspreizt .
Zur Ermittlung der Lastabtragung wurde in einem ersten Schritt der rechnerischen Analyse zunächst ein vereinfachtes Modell gewählt: Der räumliche Einfluss wurde auf eine zweidimensionale Lastabtragung reduziert, das Gewölbemauerwerk wurde mit gleicher Mauerstärke angesetzt, d.h. die Gurtbögen wurden zunächst vernachlässigt. Eine Parameterstudie der Einflußgrößen ergab folgende Aussagen:
- Das Eigengewicht wurde mit 18 kN/m^3 angenommen. Bei einer Lasterhöhung um 30% versagt das Rechenmodell.
- Die Steifigkeit des aufgehenden Mauerwerks wurde mit 230 kN/m angenommen.
- Eine Reduktion auf ein Drittel führt zum Versagen des Rechenmodells.
- Die Abspreizung des Gewölbes mit dem Dachwerk weist einen Schlupf auf: Als Schlupf ist der Weg definiert, der zurückgelegt werden muss, um die Reaktion des Dachwerks zu aktivieren. Der vorhandene Schlupf wurde mit 8 cm angenommen. Bei einer Erhöhung des Schlupfes um weitere 4 cm versagt das Modell.
- Da eine Tragwirkung des Gewölbemauerwerks auf Zug durch die zahlreichen Risse unwahrscheinlich ist, wurden für die Simulation nur innere Druckkräfte zugelassen.
- Variiert man Eigengewicht, Federsteifigkeit und Schlupf gleichzeitig, so versagt das Rechenmodell bereits bei 15% Veränderung.
- Vernachlässigt man die Abspreizung mit dem Dach, so ist ein Gleichgewicht nicht möglich.
Dieser erste Schritt der Analyse offenbart die Sensibilität des Gewölbes über dem Langhaus. Wichtigste Erkenntnis war der direkte Einfluss der Auflagerungen und der Abspreizungen auf die Standsicherheit.
In einem zweiten Schritt wurde die Geometrie des Gewölbes variiert. Die Berechnung erfolgte wiederum nach Theorie II. Ordnung, also als Berechnung der inneren Kräfte auch unter Berücksichtigung der durch die äußeren Kräfte verursachten Verformungen. Die quantitative Aussagen ergeben sich durch Variation der Auflagerverschiebungen. Durch die Optimierung des Modells, so dass die Gewölbedeformationen des rechnerischen Modells der am Bauwerk gemessenen Geometrie entsprachen und die am Bauwerk festgestellten Risse auch im Modell nachgewiesen werden konnten, standen für die Beurteilung der Standsicherheit des Gewölbes über dem Langhaus folgende Aussagen fest:
- Die Sicherheitsreserven bis zu einem rechnerischen Versagen des Gewölbes betragen im günstigsten Fall nur 30%.
- Bei einer Auflagerverschiebung der Langhausgewölbe von je 4 cm nach außen muss mit einem Einsturz gerechnet werden.
Hieraus konnten die Forderungen der Tragwerksplanung zur Wiederherstellung der Standsicherheit eindeutig abgeleitet werden: Die Verformungen der Gewölbe in den sogenannten Drittelspunkten nach oben sowie die Verschiebungen der Gewölbeauflager auf dem Außenmauerwerk nach außen mussten sofort gestoppt werden. Darüber hinaus war eine Ertüchtigung des Gewölbemauerwerks notwendig.
Für den Bauzustand wurde ein Schutz- und Stützgerüst eingebaut. Dieses konnte zum einen eine weitere Nutzung der Kirche als sakralen Raum ermöglichen und zum anderen den weiteren Verformungen der Gewölbe Einhalt gebieten. Die Gewölbe wurden provisorisch über Schaumstoff-gepolsterte Holzspanten aufgelagert und gegen weitere horizontale und vertikale Verformungen mit dem Stützgerüst verspreizt. Danach wurden horizontale Zugstangen zur dauerhaften Behinderung weiterer Auflagerverschiebungen eingebaut. Die Dachwerke wurden vollständig repariert, d. h. das bauzeitliche Tragsystem wiederhergestellt; die Verstärkungen von 1866 wurden belassen. Um weitere Verformungen insbesondere der Drittelspunkte noch oben waren dauerhaft zu unterbinden, wurde im Dachraum ein zusätzliches räumliches Fachwerk eingebaut und das gemauerte Gewölbe dagegen verspreizt. Zum Abschluss wurden die offenen Fugen mit Mörtel bzw. einer Kalk-Zement-Suspension verfüllt.
Heute sind all diese Eingriffe abgeschlossen und dem Betrachter zeigt sich der barocke Himmel wieder in vollem Glanz. Und nur wer sich bis in den Dachraum traut, sieht die aufwändigen Hilfen, die notwendig waren, um ein Juwel barocker Baukunst auch für die nächsten Generationen zu retten.
Verschiebung des Hochaltars
Hatten starke Männer von Fürstenzell es 1856 geschafft, den von Johann Baptist Straub geschaffenen Hochaltar ohne abzubrechen bis an die Chorwand zu rücken, so sollte es dieses Mal in die andere Richtung auch ohne Abbau erfolgen.
1856 verschoben etliche starke Männer den von Johann Baptist Straub geschaffenen Hochaltar von seinem Platz etwa in der Mitte des langen Chorraums bis an die Ostwand der Chorapsis und setzten ihn auf einen neu gemauerten Stipes. Bei den vorbereitenden Untersuchungen zur großen Instandsetzung der Klosterkirche Fürstenzell von 1996 bis 2002 wurde dieser Vorgang bewusst. Nicht nur die Position des Altars wurde im 19. Jahrhundert verändert, die Verschiebung brachte auch den Verlust der hinter dem Hochaltar befindlichen Sakristei im Erdgeschoss und des sog. Psallierchors der Mönche im Obergeschoss mit sich. Man hatte sowohl die Holzbalkendecke rückgebaut als auch die den Hochaltar im Erdgeschoss flankierenden Zwischenwände abgebrochen. Auch das Gewölbe der unter der Sakristei vorhandenen Gruft wurde abgebrochen und die Gruft bis auf einen kleinen Vorraum zugeschüttet. Anlass dieser Altarverschiebung war wohl die pfarrliche Nutzung der ehemaligen Klosterkirche und der Wunsch nach mehr Sitzplätzen im Chor.
Der Hochaltar von Straub war in mehreren Phasen errichtet worden: 1743 der Tabernakelaltar, 1745 das Retabel, danach wohl die Skulpturen und der Ornamentschmuck. Ebenfalls im Jahr 1745 gestalte Johann Baptist Modler die Seitenwände. Der Bildhauer Wolfgang Reitmayr ergänzte diese nochmals im darauffolgenden Jahr.
Befunduntersuchungen an den Wänden, im Boden und in der Gruft erbrachten eindeutige Aussagen zur ehemaligen Position des Hochaltars. Auch das abgängige Chorgestühl und die Emporenanschlüsse konnten in ihrer Lage nachgewiesen werden. Die Untersuchungen ergaben aber auch, dass die den Hochaltar aussteifenden vertikalen Pfosten bei der Verschiebung gekürzt und durch einen massiven Querbalken sowie eine Rückankerung des Altaraufbaus an die Außenwände ersetzt wurden.
Ein wesentliches Anliegen der Innenrestaurierung war die Wiedererfahrbarkeit des Raumkonzeptes in der Zeitstellung des Umbaus der ehemals romanischen Basilika zu einer barocken Wandpfeilerkirche durch Johann Michael Fischer in den Jahren 1739 – 1748. Wesentlicher Teil dieser Wiedererfahrbarkeit war die Rückführung des Hochaltars an seinen angestammten Ort.
Hatten die starken Männer von Fürstenzell es 1856 geschafft, den Altar ohne abzubauen bis an die Chorwand zu rücken, so sollte es dieses Mal auch ohne Abbau erfolgen. Vorgabe an die Bautechnik war somit eine Rückführung des Hochaltars als Gesamtes an seinen ursprünglichen Ort.
Überlegungen zu den Tragreserven des Altaraufbaus zeigten sehr schnell, dass sowohl die Abmessungen der Bauteile als auch der Zustand der tragenden Konstruktionen ausreichend waren, sowohl für eine Lastabtragung des Eigengewichts als auch für die Beanspruchung durch die geplante horizontale Verschiebung. Schwieriger war jedoch die Abschätzung der Stabilität bei nicht gleichmäßiger Verformung. Käme es zu Schwankungen, könnten diese die Fügungen der Architektur und in Folge auch deren Fassungen nachhaltig schädigen oder gar den Absturz des einen oder anderen Bauteils nach sich ziehen. Zur Vorgabe einer Rückführung als Ganzes kam deshalb auch die Forderung nach geringstmöglichen Verformungen. Um die Verformungen begrenzen zu können, wurde der gesamte Hochaltar vierseitig eingerüstet. Zum Einsatz kam ein sog. Mero-Gerüst, also ein räumliches Fachwerk, modular aufgebaut aus Stahlrohren mit Schraubanschluss an den jeweiligen Enden und Kugeln mit Gewindelöchern. Dieses Gerüst erforderte zwar einen großen Arbeitsaufwand zum Auf- und Abbau, zeigte aber sowohl eine gute Anpassung an die Geometrie des Altars als auch eine sehr große räumliche Steifigkeit.
Der Altar wurde über zahlreiche gepolsterte Abstrebungen im Gerüst so weit verspreizt, dass Relativbewegungen zwischen Altar und Gerüst zwar im geringen Umfang möglich waren, der Altaraufbau als Ganzes jedoch nicht ins Wanken kommen konnte. Das Gerüst an sich wurde soweit ausgesteift, dass es einer geschraubten Stahlkonstruktion gleichwertig war.
Vor Beginn der Einrüstung wurde zunächst die Stahlbetonbodenplatte ergänzt und darauf die Gleitschienen in einem Mörtelbett gelagert. Der Tabernakelaltar wurde rückgebaut und der vordere Teil des Stipes abgebrochen. Nach der Einrüstung wurde der gemauerte Stipes vorsichtig geöffnet und Stahlträger unmittelbar unter die tragenden Grundschwellen des Altaraufbaus eingefügt und die Tragkonstruktion des Altaraufbaus mit Zwischenhölzer unterfüttert. Über Hydraulikpressen konnte dann der Altaraufbau soweit angehoben werden, dass der Stipes Lage für Lage rückgebaut werden konnte. Die Stahlträger wurden im Mero-Gerüst verankert. Nun waren Hochaltaraufsatz und Mero-Gerüst eine statische Einheit. Danach erfolgte der eigentliche Verschiebevorgang. Das Mero-Gerüst besaß am unteren Ende vier Rollen. Diese wurden auf den Gleitschienen geführt. Mit Hilfe von zwei Stahlseilzügen wurden Gerüst und Altar Dezimeter für Dezimeter an seinen ursprünglichen Platz zurückgerollt. Dort angekommen wurde der Stipes in seiner alten Abmessung und seiner alten Höhe wieder errichtet und der Altaraufbau darauf abgelastet. Nun konnten die Stahlträger entfernt und die Öffnungen im Stipes geschlossen werden. Als Ersatz der ursprünglichen aussteifenden Vertikalbalken wurden diese auf zwei neuen, biegesteif mit der Stahlbetonplatte verbundenen Stahlstützen aufgelagert und nach der Wiederherstellung der Holzbalkendecke des Psallierchors daran rückgeankert.
Die Rückführung des Hochaltars an seinen alten Ort war die Konsequenz aus der Auseinandersetzung mit dem Hochaltar an sich: Johann Baptist Straub einen einen Altar geschaffen, der vorderseitig und rückseitig genutzt wurde. Seine Ausformung war für eine freie Lage im Raum geschaffen. Das Bild seines ursprünglichen Zustandes war so stark gegenüber dem Bild seines Zustandes unmittelbar vor der Ostwand der Apsis, ohne Orientierung im Raum, ohne Bezug zur Altarnische der Gruft und ohne flankierende Wände, dass der aktuelle Zustand nur negativ bewertet werden konnte. Der Eingriff erfolgte also, weil alle Beteiligten an seinem künftigen Ort eine wesentliche Verbesserung sahen. Das physikalische System seiner Aufstellung allein gab keinen Anlass. Dieser ergab sich erst aus dem Wunsch nach einer Veränderung.
Bleibt noch nachzutragen, dass das Mauerwerk der den Altar flankierenden Wände ergänzt und die Fassungen rekonstruiert werden konnten. Das heutige Erscheinungsbild entspricht unserer temporären Vorstellung von der bauzeitlichen Situation.