Der Hochaltar der Filialkirche St. Jakobus in Rabenden

Das wohl zu Anfang des 16. Jahrhunderts entstandene Hochaltarretabel kann wieder als eines der besterhaltenen seiner Art in Bayern gelten. Doch nach dem Absturz des südlichen Flügels im Jahr 2003 stand erst einmal eine umfassende Restaurierung an.

Das wohl zu Anfang des 16. Jahrhunderts entstandene Hochaltarretabel in der Filialkirche St. Jakobus d. Ä. in Rabenden kann als eines der besterhaltenen seiner Art in Bayern gelten. Gleichwohl zeigt es zahlreiche Veränderungen. Bereits vor dem 17. Jahrhundert wurde der Schrein offensichtlich auseinander gesägt und das Retabel mit eisernen Ankern an das aufgehende Mauerwerk der Apsis rückgeankert.

Anfang des 17. Jh. wurden die Gemälde großflächig übermalt. Umfangreiche Überarbeitungen sowohl der Fassungen als auch der Architekturteile sind belegt um 1855 unter der Aufsicht von Joachim Sighart. Hierbei wurden offensichtlich auch die hölzernen Scharnierbänder des Drehstabmechanismus demontiert und verändert wieder eingebaut. Hier war wohl bauzeitlich eine Verleimung mit Sicherung über Holzdübel vorhanden. Diese wurde durch einen Sägeschnitt aufgetrennt und nach vorne versetzt mit Holz-Senkkopfschrauben wieder befestigt.

1965 wurde die Kirche durch einen Blitzschlag getroffen, wohl nicht zum ersten Mal. Die eiserne Rückankerung leitete den Blitz bis zum Retabel, ein Teil der Schleierbretter wurden zerstört. Etwa ein Fünftel musste neu geschnitzt werden.

Anlass der jüngsten Restaurierung war die Beschädigung des südlichen Flügels. Er hatte sich beim Wandeln aus seiner Halterung gelöst und war abgestürzt.

Eine Besonderheit des Hochaltarretabels von Rabenden stellt der hölzerne Drehstabmechanismus der Flügel dar: Die Flügel besitzen an ihrerer inneren Seite eine geschnitzte Stange mit einem hölzernen Dorn jeweils am oberen und am unteren Ende. Der obere Dorn wird von einem hölzernen Schanierband gehalten. Der untere Dorn wird in einem Loch im oberen Brett der Predella geführt. Die Predella kragt so weit nach außen, dass die Flügel in ihrem geöffneten Zustand über ihre gesamte Breite auflagern können.

Werden die Flügel gewandelt, so hebt der Mesner den jeweiligen Flügel leicht an und schwenkt ihn nach innen. Dort wird er wiederum leicht angehoben und weitergedreht, um auf dem Brett der Predella abgesetzt zu werden. In aufgeklappten und geschlossenen Zustand ruhen die Flügel also auf dem oberen Brett der Predella. Während des Wandelns hingegen lastet das Gewicht sowohl auf dem unteren Drehpunkt, als auch bedingt durch die Exzentrizität auf dem oberen Scharnier. Hier wirken fast ausschließlich Horizontalkräfte: Befindet sich der Flügel im geöffneten oder geschlossenen Zustand, also in seiner Längsachse, wirken diese Horizontalkräfte in der Längsachse des Schreins. Steht der Flügel beim Wandeln senkrecht zur Längsachse, wirkt die Horizontalkraft senkrecht zum Schrein. Das Maß der Horizontalkraft ist dabei vom Eigengewicht und wesentlich von der manuellen Tätigkeit des Mesners abhängig. Befindet sich die mechanische Achse des Drehstabmechanismus nicht exakt in der durch die Wandlung erzwungene Drehachse, kommt es zusätzlich zu Reibungskräften in der Führung des Dorns und zu einer Verwindung des Flügels.

Offensichtlich hatte man 1855 bei der Restaurierung der Flügel Probleme mit der Drehachse. Das Auftrennen der geleimten Holzverbindung zwischen Schrein und Scharnierband könnte auch durch die dann leichtere Demontage der Flügel zur Restaurierung erklärt werden. Das Versetzen der Scharnierbänder nach vorne zeugt jedoch von einem bewussten Neuausrichten der Drehachse nach der Restaurierung der Flügel. Die Scharnierbänder wurden dabei mit Nägeln befestigt. Vor Beginn der jetzigen Restaurierung befanden sich neben den wohl aus dem 19. Jahrhundert stammenden schlanken Nägeln mit kleinem Kopf auch neuere Drahtstifte industrieller Fertigung. Man hatte wohl nochmals die Scharnierbänder zusätzlich sichern wollen. Lage und Größe der Nägel dürften jedoch das Gegenteil bewirkt haben. Die Holzfasern verlaufen parallel zur Drehachse. Zumindest einer der beiden neuen Nägel sitzt unmittelbar in Faserrichtung der bauzeitlichen Holznägel. Hier dürfte durch das Einbringen der Nägel bereits ein erstes Aufspalten des hölzernen Scharnierbandes verursacht worden sein, möglichweise auch der Absturz des Flügels.

Schleifspuren im unteren Rahmenholz der Flügel und im oberen Brett der Predella geben Zeugnis vom häufigen Wandeln der Flügel. Im Drehkreis des Nagels industrieller Fertigung ist das Brett erhaben, daneben deutlich abgeschabt. Der Verschleiß des Holzes ist vor Einbringen des industriellen Nagels offensichtlich deutlich geringer als danach. Dieser häufige Gebrauch der Flügel deutet also auf eine nicht nur liturgische Notwendigkeit, sondern auch auf eine starke touristische Nutzung hin.

Das Bild seines aktuellen Zustandes mit abgestürztem Flügel, wackeligem Zierrat und abblätternder Fassung machte es leicht sich, ein schöneres Bild zu wünschen. Dieses Bild eines künftigen Zustandes entstand in vielen Gesprächen unter vielen Beteiligten. Das physikalische System wird geändert: die beiden Scharnierbänder werden identisch nachgeschnitzt, der Drehstabmechanismus jedoch wird in seiner bisherigen Form beibehalten. Die alten Scharnierbänder werden im Altar aufbewahrt. Über die Ausrichtung der Drehachse und die Höhenlage der Flügel wird noch zu entscheiden sein. Unstrittig ist jedoch die deutliche Einschränkung der Nutzung: Das Wandeln der Flügel erfolgt künftig nur noch zu liturgischen Anlässen.

Foto: Achim Bunz, München
Foto: Achim Bunz, München