Jann Victor Freiherr von Wendelstadt beauftragte 1895 Gabriel von Seidl mit umfangreichen Umbau- und Neubaumaßnahmen an Schloss Neubeuern. Im Jahr 1896 wurde der Mittelbau aus der Preysingzeit abgebrochen und von 1904 bis 1908 ein vollkommen neues Gebäude in Form der deutschen Renaissance erbaut.
Die statisch-konstruktive Instandsetzung des Mittelbaus von Schloss Neubeuern
Die von 1999 bis 2008 durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen an der Bausubstanz dienten ausschließlich zur Wiederherstellung der Standsicherheit und sind gewollt auf den ersten Blick unscheinbar, waren aber elementar notwendig für den Erhalt des Gebäudes und zur Weiterführung der Schulnutzung.
Jann Victor Freiherr von Wendelstadt (1846 – 1909), seit 1881 im Besitz der mittelalterlichen Ringburg von Neubeuern, beauftragte 1895 den Architekten und Naturschützer Gabriel von Seidl (1848 – 1913) mit umfangreichen Umbau- und Neubaumaßnahmen. Nach der Hochzeit des Freiherrn mit Gräfin Julie von Degenfeld-Schonburg (1871 – 1942) im Jahr 1896 wurde der Mittelbau aus der Preysingzeit abgebrochen und von 1904 bis 1908 ein vollkommen neues Gebäude in Form der deutschen Renaissance erbaut. Es entstanden Räume mit funktionalen Grundrissen, die den Bedürfnissen der Bauherrnschaft gerecht wurden. Bauzeitliche Fotografien zeigen das ausgewogene Erscheinungsbild des Neubaus und die harmonische Integration in den anschließenden Bestand. Die historischen Fotos offenbaren aber auch die im Laufe des letzten Jahrhunderts oftmals ohne Feingefühl ausgeführten baulichen Veränderungen.
Da die Baupläne 1945 im Seidlschen Anwesen an der Münchner Marsstraße verbrannten, wurde es erforderlich, den Bestand in wesentlichen Teilen aufzumessen und die eingesetzten Baukonstruktionen und -materialien zu erkunden. Die neu erstellten Planunterlagen bildeten die Grundlage für die Darstellung der Instandsetzungsmaßnahmen.
Es waren große konstruktive Probleme zu lösen, bevor letztlich 2010/11 die Instandsetzung der Fassaden erfolgen konnte.
Die von 1999 bis 2008 durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen an der Bausubstanz dienten ausschließlich zur Wiederherstellung der Standsicherheit und sind gewollt auf den ersten Blick unscheinbar. Kleinbohrpfähle und Deckenunterbauten, unter der Erde bzw. in den Kellergeschossen ausgeführt, bleiben eher im Verborgenen, waren aber elementar notwendig für den Erhalt des Gebäudes und zur Weiterführung der Schulnutzung.
Obwohl in den vorliegenden Archivalien die Gründung der gesamten Anlage auf anstehendem Fels beschrieben wird, deuteten Setzungsschäden am steinsichtigen Eingangsportal auf einen nachgiebigen Untergrund hin. Aufschlussbohrungen zur Erkundung der Bodenverhältnisse zeigten, dass der südlich im Keller sichtbar anstehende Fels nach Norden hin stark abfällt und nur noch die Wand des Mittelrisalits der Nordfassade direkt auf dem Fels steht. Das Portal gründet auf setzungsempfindlicher Auffüllung und Auelehm. Erst in einer Tiefe von ca. 12,0 m steht hier der tragfähige Fels an. Um Setzungen und Verkippungen dauerhaft zu verhindern, wurden 1999 zwölf Kleinbohrpfähle bis auf den Fels abgeteuft und der Anschluss ans Portal-Fundament mittels Stahlbetonstreichbalken hergestellt. Die Rückverankerung ins Gebäude erfolgte mittels ins Ziegelmauerwerk des Kellergeschosses eingebohrter 13,0 m langer Spannanker aus Edelstahl. Die Dachkonstruktion sowie die Dachdeckung einschließlich Spenglerdetails des Vorbaus wurden erneuert. Ein Windfang aus Glas wurde gemäß Planung der Werkgemeinschaft Rosenheim neu eingestellt.
Ein weiteres Problem entstand durch Regenwasser, das über Jahre hinweg unkontrolliert ins Gebäude eindrang. Die Durchfeuchtung der Mauern und Decken mit nachfolgender Korrosion bis zur Zerstörung der Stahlträger führte zu einer starken Reduzierung der Tragfähigkeit. Einzelne Decken waren einsturzgefährdet und wurden noch vor Beginn der eigentlichen Maßnahmen notgesichert.
Die Erneuerung der stark geschädigten Decken in Stahlbeton erfolgte von 2004 bis 2008 in zwei Abschnitten. Die schützenswerten bauzeitlichen Oberflächen wie Fliesen und Naturwerksteintreppen wurden bauprovisorisch gesichert, zur Wiederverwendung behutsam ausgebaut und nach Abschluss der statischen Maßnahmen wieder eingebaut sowie baugleich ergänzt.
Die Erneuerung / Ergänzung der Haustechnik erfolgte in Verantwortung der Büros Berger aus Raubling/Pfraundorf und elo-plan aus Rosenheim.
Die Restaurierung und Teilerneuerung des Parkettbodens im Festsaal erfolgte von 2001 bis 2004 durch die Firmen Meyer aus Waging, Bruckbauer aus Rosenheim und durch den Dipl.-Ing. Harald Imig aus Riedhausen.
Die Baumaßnahmen zur statisch-konstruktiven Instandsetzung haben im März 1998 begonnen und wurden 2008 beendet.
Beteiligte:
- Objektplanung: Büro Bergmann GmbH
- Tragwerksplanung: Büro Bergmann GmbH
- SiGe-Planung: Büro Bergmann GmbH
- Denkmalpflege: Landesamt für Denkmalpflege, Herr Scholter
- Beratung Putz + Anstriche: Herr Lauber, Restaurator, Bad Endorf
- Beratung Fenster: Herr Meyer, Waging am See
- Beratung Stein: Herr Endemann, Steinwerkstatt Regensburg
- Elektroplanung: Elo-Plan GmbH, Rosenheim
- Sanitär- und Heizungsplanung: A. & Th. Berger GbR, Raubling
Das Büro Bergmann führte folgende Leistungen aus:
- Bestandserfassung und Untersuchungen zu Schadensursachen
- Objektplanung
- Tragwerksplanung
- Koordination des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes
auf der Baustelle
Die Instandsetzung der Fassaden des Mittelbaus von Schloss Neubeuern
Die für alle sichtbaren Maßnahmen an den Fassaden des Mittelbaus haben neben der Reparatur der Schäden zum Ziel, das repräsentative Erscheinungsbild des Gebäudes in seiner Bauzeit wiederzubeleben. Wie aber sah das Gebäude mit seinen Oberflächen einst aus? Mit dieser Fragestellung begannen im Jahr 2007 umfangreiche Voruntersuchungen von Fassungsaufbau der Putzfassade sowie der Natursteinbereiche.
Die durchgeführten Befunderhebungen ermöglichten Einblicke in die Baugeschichte. Die Erkundung der Fassungsaufbauten zeigte die Qualität des Bauwerks mit seinen edlen, an Materialsichtigkeit orientierten, Oberflächen.
Der Sockel des Bauwerks aus Konglomeratstein (Nagelfluh) errichtet, bildet den massiven Unterbau. Ausschließlich die zurückspringenden präzise gearbeiteten Setzfugen gliedern den Sockel als horizontal laufende Bänderung. Der heute noch vorhandene dickschichtig angeworfene Putz aus Kalkmörtel, mit der Kelle abgezogen und mit dem Brett kreisförmig abgerieben, wurde bei der Erstfassung einheitlich mit den geputzen profilierten Architekturgliederungen wie Fensterfaschen, Gesimse und Lisenen mittels Schablonen in Romankalk vorgezogen und mit einer grobkörnigen Schlämme überzogen.
Fenstergewände, Stützen und Brüstungsabdeckungen wurden durch den Einsatz von exakt bearbeiteten Naturwerksteinen betont. Insbesondere die polierte Oberfläche der Kalkbreccie prägt das Erscheinungsbild der Südfassade.
Die aus Eichenholz gefertigten Kastenfenster im Erdgeschoss waren außen mit einer dunkelbraunen Öllasur (Ebenholzimitation) und innen transparent, eventuell leicht pigmentiert, gestrichen. Die Gliederung der äußeren Fensterflügel erfolgte durch kleinteilige Rechteckverglasungen mit Bleistegen im Kittbett. Zur Verschattung dienten in Stahlschienen geführte, grün gestrichene Holzlamellenrollos.
Das Walmdach des Mittelbaus mit seinen Anbauten war mit Bibern eingedeckt und mit aufwändig gestalteten Windfahnen, Kugeln, Vasen und Sternen bekrönt.
Akkurat ausgeführte, verspielte Architekturdetails zeigen noch heute die Qualität Seidels und die große Handwerkskunst der am Bau Beteiligten.
Das immer stärker zum Einsatz kommende Baumaterial ab dem 19. Jahrhundert war Stahl. So wurden auch von Gabriel von Seidl beim Schlossbau in der gesamten Fassade seriell gefertigte Stahlträger als Stürze, Ringbalken und Lastverteiler eingesetzt und überputzt. Durch Schäden an der Verblechung und mangelhafte Wasserführung bei rück- und vorspringenden Bauteilen konnte Regenwasser über das offene Kalkputzsystem eindringen und führte über die Jahre zu Korrosionsbildung mit Volumenvergrößerung an den Stahlträgern mit der Folge von Rissen und Hohlstellen an der Putzoberfläche.
Die Fenster waren durch starke Bewitterung, mangelhafte Reparaturen und fehlende Pflege insbesondere am unteren Stockholz und an den Flügelaußenseiten stark geschädigt und verformt. Die Kittbette und Verbleiungen der Verglasungen waren gerissen oder herausgefallen. Einzelne Gläser waren gebrochen. Die Fensterbeschläge befanden sich insgesamt in einem guten Zustand, waren aber schwergängig und ihre Oberflächen oxidiert.
Die bauzeitlichen Holzlamellenrollos, mit eisernen Führungsschienen ließen sich zum großen Teil nicht mehr oder nur schwer bewegen und waren an mehren Stellen durch Holzfäule geschädigt.
Nachdem das Gebäude bereits mehr als 100 Jahre steht, gab es auch an den Natursteinen Schäden und Mängel die es zu beheben galt: Aufgrund von Feuchtigkeit mit nachfolgendem Frost waren im Nagelfluh Schäden in der Struktur aufgetreten: herausgefallene Kieselsteine, ausgewitterte Verfugungen und mikrobiologische Beläge. Stark beanspruchte Werksteine zeigten Abwitterungen, Risse sowie aufgefrorene Tonlager mit abgelösten oder bereits fehlenden Steinteilen. Die bauzeitlichen Natursteinoberflächen waren abgewittert und hatten ihren ursprünglichen Glanz verloren. Bei einer früheren Maßnahme waren die ehemals polierten Oberflächen abgestumpft und Reparaturen mit Polymerergänzungen ausgeführt worden. Diese hatten sich verfärbt und zeichneten sich deutlich ab.
Die von Gabriel von Seidl gewollte Aufwertung der Fassade durch den Einsatz von Naturwerksteinen mit gezielt bearbeiteter Oberfläche war nicht mehr ablesbar. Vielmehr gingen die Putz- und Natursteinoberflächen ineinander über, ohne das Bauwerk zu gliedern.
Die vorhandene Regenwasserführung ist nur noch zum Teil bauzeitlich. Spätere Erneuerungen in Zinkblech waren bereits wieder geschädigt und zum Teil unsachgemäß ausgeführt. Die bauzeitlichen aufwändig gestalteten Bekrönungen aus Kupfer waren insbesondere durch die korrodierte innenliegende Stahlkonstruktion stark geschädigt, einzelne Teile fehlten bereits. Die Dacheindeckung als Biberdoppeldeckung zeigte Mängel durch fehlende Ziegel und geschädigte aufgemörtelte Grate und Firste.
Nach Aufmaß und Schadenskartierung wurde das Ziel der Maßnahme zur Instandsetzung der Fassaden definiert: die weitgehende Wiederherstellung des bauzeitlichen Erscheinungsbildes durch Reparatur des schützenswerten Bestandes. Wo notwendig, sollte die Substanz behutsam erneuert werden.
Die Abstimmung der Maßnahmen mit allen am Projekt Beteiligten vor Beginn der eigentlichen Instandsetzung anhand von Musterachsen und -flächen ermöglichte eine gut laufende Baustelle. Die grundsätzlichen Fragen konnten vorab geklärt werden, und so waren die bei einer Instandsetzung immer wieder auftretenden „unbekannten Probleme“ leichter zu lösen.
Während der Instandsetzung der Fassaden des Mittelbaus von Schloss Neubeuern überarbeiteten die Restauratoren mehr als 160 Fenster. Zehn stark geschädigte Fenster im 2. Obergeschoss mussten erneuert werden. 28 Holzlamellenrollos wurden repariert und drei bereits fehlende Rollos in Anlehnung an den Bestand erneuert. Ungefähr 2.000 m2 Putz mussten gesichert, gereinigt, ergänzt und neu beschichtet werden. Die Steinrestaurierungsfirma konservierte und restaurierte 432 m2 Naturstein, davon alleine 192 m2 Kalkbreccie an der Südfassade.
Wo notwendig, wurden geschädigte Dachplatten ausgetauscht und Firste und Grate neu aufgemörtelt. Die Regenwasserführung (Rinnen, Kessel und Fallrohre) wurde verbessert und, wenn nötig, wurden die Blechanschlüsse ergänzt. Im Zuge der Arbeiten am Dach erfolgte die Überprüfung und Ergänzung der Blitzschutzanlage. Durch einen Metallrestaurator wurden die Windfahnen, Kugeln, Sterne und Laternen repariert und, wo nötig, ergänzt.
Die Instandsetzungsmaßnahmen an den Fassaden des Mittelbaus haben im April 2010 begonnen und wurden 2011 beendet.
Beteiligte:
- Objektplanung: Büro Bergmann GmbH
- Tragwerksplanung: Büro Bergmann GmbH
- SiGe-Planung: Büro Bergmann GmbH
- Denkmalpflege: Landesamt für Denkmalpflege, Herr Scholter
- Beratung Putz + Anstriche: Herr Lauber, Restaurator, Bad Endorf
- Beratung Fenster: Herr Meyer, Waging am See
- Beratung Stein: Herr Endemann, Steinwerkstatt Regensburg
Das Büro Bergmann führte folgende Leistungen aus:
- Bestandserfassung und Untersuchungen zu Schadensursachen
- Objektplanung
- Tragwerksplanung
- Koordination des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes
auf der Baustelle