Anhaltende Deformationen der Wände, gravierende Schäden in den Stuckierungen und Putzschichten der Gewölbe sowie Rissbildungen in den Hohlkehlen der Flachdecken im Südflügel und in den angrenzenden Kopfbauten des Damenstifts in Osterhofen waren der Anlass für eingehende Untersuchungen des Bauwerks.
Die statisch-konstruktive Instandsetzung des Südflügels des Damenstifts
Das ehemalige Prämonstratenserkloster wurde nach einem Brand in den Jahren 1701 – 1722 wieder aufgebaut. Es wird seit 1818 von den Maria-Ward-Schwestern (Congregatio Jesu, Englische Fräulein) als Kloster- und Schulgebäude genutzt.
Die dazugehörige Kirche wurde ab 1726 nach Plänen von Johann Michael Fischer unter Einbeziehung des baulichen Bestands errichtet.
Die Ausstattung der Kirche erfolgte durch die Brüder Asam, die Fresken stammen von Cosmas Damian, die Stuckaturen und Stuckplastiken von Egid Quirin.
Das Klostergebäude ist ein schlichter dreiflügeliger, dreigeschossiger Bau, der im Süden an die Kirche anschließt und mit ihr einen rechteckigen Innenhof bildet.
Die Büro Bergmann GmbH wurde 2002/03 mit den statisch-konstruktiven Voruntersuchungen zur Erarbeitung eines Instandsetzungskonzeptes beauftragt.
Im Zuge der Untersuchungen wurden große Schäden an geschmiedeten Eisenschlaudern und Schlauderbalken, die in Gebäudequerrichtung in den Fußböden des Südflügels angeordnet sind, festgestellt. Diese Schäden beeinträchtigten die Standsicherheit des gesamten Gebäudes derart, dass Sofortmaßnahmen zur Sicherung notwendig wurden. Als Ersatz für die bestehenden Schlauderbalken wurden neue Edelstahlspannanker eingebaut.
Das Dachwerk über dem Südflügel ist als einfaches Kehlbalkendach mit Hahnenbalkenlage und doppelt liegendem Stuhl errichtet. Die Dachneigung beträgt 46°. Das Dachwerk der im Osten und Westen anschließenden Kopfbauten ist bauzeitlich um einen Gehrungs-(Diagonal-)binder mit Fachwerkwänden angeordnet. Zur Stabilisierung wurde im Jahr 1864 je ein Sprengwerk eingefügt. Das Dach über dem Festsaal (süd-westlicher Kopfbau) wurde 1997 um weitere Fachwerkträger ergänzt.
Das Dach ist mit Biberschwanzziegel als Doppeldeckung gedeckt. Die Gesimse wurden zu einem früheren Zeitpunkt durch eine Rabitz-Konstruktion ersetzt.
Die Konstruktionshölzer wiesen zum Teil starke Schäden in Folge von Durchfeuchtung mit nachfolgendem pflanzlichen und tierischen Schädlingsbefall auf. Zahlreiche Bauteile (Kopfbänder, Windverbände, Schwellen) waren zu einem früheren Zeitpunkt ausgebaut worden. Zur Aktivierung der Klammerwirkung des Dachwerks für das aufgehende Mauerwerk und zur Vergleichmäßigung der Lastabtragung aus dem Dach in die Wände wurden im Zuge der Instandsetzungsmaßnahmem die Konstruktionshölzer repariert und ergänzt. Zusätzlich war die Wiederherstellung der Mauerlatten als Teil des für die Standsicherheit des gesamten Gebäudes notwendigen, dreidimensional wirkenden Dachtragwerks, erforderlich.
Das Dachwerk des süd-östlichen Kopfbaus zeigte starke vertikale und horizontale Verformungen der Zerrbalken- und Kehlbalkenlage. Ein Großteil der Holzverbindungen war geöffnet. Einige Bauteile waren bereits gebrochen. Die Verfomungen betrugen teilweise mehrere Dezimeter. Die bauzeitliche Dachkonstruktion war zur Aufnahme der angreifenden Lasten unzureichend ausgesteift. Auch spätere Einbauten zur Verbesserung der Lastabtragung in der Mann-an-Mann-Decke waren nicht geeignet, die Lasten verformungsarm abzutragen. Erste Verformungen müssen schon sehr früh, möglicherweise kurz nach der Erbauung, eingetreten sein.
Zur Wiederherstellung der Standsicherheit musste das gesamte Dachwerk über dem süd-östlichen Kopfbau räumlich ausgesteift werden. Hierzu wurden alle Schäden repariert und eine zusätzliche, lastversteifende Diagonalschalung in Zerr- und Kehlbalkenebene eingebracht.
Zur Aufnahme der vertikalen Lasten der Zerrbalkenlage und zum Entkoppeln der Zerrbalken von der darunterliegenden Decke wurde ein Fachwerkträger eingebaut.
Bei den Instandsetzungen am Kopfbau-West im Jahr 1997 war das Dachtragwerk auf neue Fachwerkträger umgelastet worden. Bereits vorhandene Überzüge zur Aufhängung der Decke waren zu Fachwerkträgern ergänzt und zusätzliche Träger zur Lagesicherung der Decke eingefügt worden. Entlang der westlichen Traufe musste, aufgrund ihrer vorhandenen Schädigung, nun die Mauerlatte nahezu vollständig erneuert werden, um die Lastabtragung über die Mauerkrone zu gewährleisten. Die lastabtragenden Konstruktionen des Dachwerks wurden von denen der Decke entkoppelt.
Die losen, absturzgefährdeten Gesimse wurden über die Mauerlatte rückgeankert und die Mauerkronen vernadelt.
Die stuckierten Flachdecken über dem 2. Obergeschoss sind, konstruktiv getrennt von der Zerrbalkenlage des darüberliegenden Dachwerks, als Mann-an-Mann-Holzbalkendecke mit einer Hohlkehle aus Ziegelplatten konstruiert. Die Deckenbalken sind auf einem Mauervorsprung aufgelagert. Die Fugen der Balken sind mit Moos ausgestopft (Rieselschutz). Über den Deckenbalken ist eine lose Schüttung von ca. 10 cm eingebracht, auf der Vollziegel in Kalkmörtel verlegt sind.
Aufgrund Schädlingsbefall und horizontaler Verformungen wurden die nach unten abgerutschten Deckenbalken repariert und der Befall bekämpft.
Während der Instandsetzungsarbeiten wurde an der Nordtraufe des Südflügels, zwischen Deckenbalkenlage und darüberliegender Ziegelschicht, der echte Hausschwamm angetroffen. Nach einem Gutachten zum Umgang mit dem alten nicht aktiven Befall wurden die weiteren Arbeiten entsprechend der Empfehlungen ausgeführt.
Vor Beginn der Instandsetzungsarbeiten am Dachtragwerk wurde der Dachraum beräumt, die Mauerkronen entschuttet und instandgesetzt.
Die Reparatur des Dachtragwerks und der Decken erfolgte abschnittsweise. Zur Durchführung der Arbeiten am Dachwerk wurde die bestehende Dacheindeckung zur Wiederverwendung abgenommen und ein Wetterschutzdach an der Traufe aufgebaut. Nach der Reparatur der Deckenbalken oberhalb des 2. Obergeschosses wurde die bauzeitliche Brandschutzschicht aus Ziegeln wieder hergestellt. Darüber wurde eine Schüttung (Wärmedämmung) und ein durchgängiger Holzbretterbelag eingebaut.
Die Blechanschlüsse (Rinnen, Fallrohre, etc.) sowie die Blitzschutzanlage wurden im Zuge der Instandsetzung in Kupfer erneuert.
Zur Vorbereitung der nächsten Bauabschnitte erfolgten 2009 die Untersuchungen am Westflügel. Diese führten zu dem Ergebnis, dass zwingend eine Sicherung des Westflügels durchgeführt werden musste, welche umgehend, nicht als provisorische Notsicherung, sondern als vorgezogener Maßnahmenteil erfolgte: Einbau von Spannankern in den Deckenebenen.
Die Wiederherstellung der Standsicherheit des Gebäudes mit seiner Dachkonstruktion und Geschossdecken war die wichtige Voraussetzung zur anschließenden Restaurierung der Stuckdecken des Südflügels des Damenstifts.
Die Restaurierung der Raumschalen mit Stuckdecken
Nach der Behebung der großen statischen Probleme des Gebäudes erfolgte die Restaurierung der Raumschalen.
Im Zuge des 1. Bauabschnitts wurden 45 Räume restauriert. Davon sind die meisten mit stuckierten Decken ausgestattet. Im Gebäude gibt es zwei Deckentypen: Stuckierung auf Ziegelgewölbe und Stuckierung auf Holzdecke mit Rohrmatten. Die Decken sind zum Teil farbig gefasst.
Die Stuckaturen sind unterschiedlich aufwändig ausgeführt, vom geringen Rahmen- bis zum reich gestalteten Ornamentstuck. Alle Stuckaturen stammen aus der Zeit zwischen 1710 bis 1720.
Es wurden insgesamt ca. 8.500 m² Wand- und 3.000 m² Deckenfläche bei fortlaufendem Schulbetrieb bearbeitet. Der bauprovisorische Zugang in die jeweiligen Räume erfolgte über die Fenster vom Außengerüst aus.
Durch die Vielzahl von Tünchschichten wurden die Stuckierungen und die strukturellen Schäden des Deckenaufbaus verdeckt. Die Überfassungen hatten eine sehr unterschiedliche Haftung aufeinander. Ältere „Verwerfungen“ in der Stuckierung waren durch Verschiebungen der Putzschollen und das aufliegende Tüncheschichtpaket nicht als solche erkennbar.
Das tatsächliche Ausmaß der Schäden sah man erst nach der Abnahme der Tüncheschichten: umfangreiche Rissbildungen, Hohlstellen, Zerklüftungen, Inselbildungen, Schichtentrennungen und Verwerfungen innerhalb des Deckenaufbaus. Während an der sichtbaren Oberfläche der jüngeren Fassungen die Rissbreiten 0,2 – 0,5 mm betrugen, waren die Risse darunter bereits mehrere Zentimeter breit.
Zur Erlangung eines homogenen Mauerwerksgefüges wurden die Risse und Hohlstellen im Mauerwerk ausgeräumt und mit einem Kalkmörtel verfüllt. Hohl liegende Putz- und Malschichten sowie die Stuckprofile wurden gesichert, konserviert und dokumentiert.
Die gefährdeten Putze wurden vor Beginn der Reparaturarbeiten an den Deckenbalken zunächst provisorisch abgestützt. Die dauerhafte Sicherung an den querschnittsgleich reparierten Deckenbalken erfolgte abschnittsweise durch Verschrauben, Hinterspritzen bzw. Verfüllen der Hohlräume, Reparatur oder Erneuern Putzträger.
Alle Rücklagen und Profilierungen sowie floraler und freier Stuck wurden zu einem schlüssigen Gesamtbild ergänzt. Fehlende Stuckpartien, Profilierungen und glatt verputzte Bereiche wurden rekonstruiert.
Die Oberflächen wurden durch den Stuckrestaurator so fertiggestellt, dass sie anschließend vom Restaurator Raumschale überfasst werden konnten. Es wurden keine Farbfassungen oder Gemälde freigelegt, sondern diese unter der monochromen Farbfassung erhalten und gesichert.
Wo notwendig, wurden schadhafte Elektrokabel erneuert und in den bestehenden Schlitzen unter Putz neu verlegt. Die zukünftige Lichtführung in den Klassenzimmern soll mit einem punktuell abgehängten System erfolgen, das den Deckenstuck so wenig wie möglich stört.
Weitere Maßnahmen, zum Beispiel zur Erneuerung der Haustechnik, die Instandsetzung der Fenster und zusätzliche bauliche Brandschutzmaßnahmen sollen im Rahmen der geplanten Generalsanierung ausgeführt werden.
Die Baumaßnahmen begannen im Februar 2002 und wurden im Mai 2011 beendet.
Beteiligte:
- Bauherr: Congregatio Jesu / Maria Ward Schwestern.
- Objektplanung: Büro Bergmann GmbH
- Tragwerksplanung: Büro Bergmann GmbH
- Denkmalpflege: Landesamt für Denkmalpflege: Frau Behrendt,
Frau Ludwar, Herr Zehentner, Herr Menath - Kreisheimatpfleger: Herr Loibl
- SiGe-Planung: Büro Bergmann GmbH
- Holzschutz: Dr. Ingo Nuss, Mintring-Sengkofen
Das Büro Bergmann führte folgende Leistungen aus:
- Geodätisches Aufmaß Dachwerk und 2. Obergeschoß Südflügel
- Bestandserfassung und Untersuchungen zu Schadensursachen
- Planung und Koordination von Notsicherungsmaßnahmen zur
Wiederherstellung der Standsicherheit - Objektplanung
- Tragwerksplanung
- Untersuchungen zum Brandschutz
- Koordination des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes
auf der Baustelle.
Die Instandsetzung des Bodens des Festsaals
Die stuckierten Flachdecken über dem 2. Obergeschoss sind konstruktiv von der Zerrbalkenlage des darüberliegenden Dachwerks getrennt. Bei der Instandsetzung wurden die lastabtragenden Konstruktionen von denen der Decke wieder entkoppelt, damit keine Schäden mehr an den neu restaurierten Stuckkaturen und Deckengemälden auftreten können. Das Dachwerk über dem Festsaal erforderte aufgrund der großen Spannweiten und bereits früher eingebauter Behelfe besondere Maßnahmen zur Lagesicherung der Decke.
Der Festsaal im zweiten Obergeschoss des westlichen Kopfbaus des Südflügels war schon immer der zentrale Raum für besondere, gehobene Anlässe. Die Weiterführung der vielfältigen Nutzung für Prüfungen, Konzerte, Festakte u.a. nach der Instandsetzung des Gebäudes war somit ein großes Anliegen von Kloster und Schule.
Die statische Analyse der Fußbodenkonstruktion im Festsaal ergab eine Tragkraft der Holzbalkendecke des Festsaals von maximal 100 kg/m². Eine Nutzung für öffentliche Veranstaltungen mit einer Beanspruchung von bis zu 500 kg/m² war ohne Ertüchtigungen nicht zulässig.
Durch den Einbau von neuen Brettschichtholz-Trägern zwischen den bestehenden Deckenbalken werden die anfallenden Lasten nun aufgenommen und die Schwingungen und Durchbiegung des Bodens minimiert.
Beim Ausbau des neuzeitlichen Parketts trat der ursprüngliche barocke Tafelboden (um 1715) aus Nadelholzdielen mit Eichenholzfries zu Tage. Glücklicherweise war der Boden nahezu vollständig erhalten und zeigte nur die zu erwartenden Gebrauchsspuren, aber keine großen Schäden. Der während der statischen Instandsetzungsmaßnahme ausgelagerte historische Bodenbelag konnte abschließend wieder eingebaut werden. Die Bodentafeln wurden durch einen Holzrestaurator konserviert und die Schäden behutsam restauriert. Fehlstellen wurden ergänzt und farblich eingestimmt.
Nach seiner Restaurierung bildet der historische Tafelboden nun wieder einen passenden edlen Gegenpart zur prunkvollen Stuckdecke mit ihren Gemäldemedallions im Festsaal von Kloster Osterhofen.