Die Stadtmauer in Straubing

Bei der Errichtung eines Anbaus an ein Wohngebäude sollte ein Teil der Stadtmauer  von Straubing mit einbezogen werden. Im Rahmen der Baumaßnahme wurde auch eine Instandsetzung der historischen Mauer notwendig.

Die Stadtmauer am Pulverturm 9 dürfte in der Zeit der Stadterweiterung von Straubing in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Der untere Teil der Stadtmauer einschließlich der beiden Kasematten und dem Boden des „Wehrgangs“ ist sehr wahrscheinlich bauzeitlich, d. h. er stammt aus dem 15. Jahrhundert, der obere Teil kann im Wesentlichen dem Wiederaufbau der Stadtmauer im 16. Jahrhundert zugeordnet werden. Die späteren Reparaturen sind neuzeitlich.

Die Mauer zeigte eine umfassende Überarbeitung aus einer späteren Zeit sowie zahlreiche Reparaturen und Ergänzungen. Die bauzeitliche Mauer besteht aus Ziegelmauerwerk mit Ziegelabmessungen von etwa 33 x 14 x 7 cm, der verwendete Mörtel enthält sichtbare Kalkspatzen und groben Zuschlag. Die spätere Ergänzung ist aus ähnlichen Ziegeln mit etwas breiteren Abmessungen (33 x 15…16 x 7) und einem grau-weißlichen Mörtel. Bei späteren Reparaturen erkennt man zum Teil neuzeitliche Maschinenziegel oder Betonergänzungen. Im nördlichen Teil wurden wohl im 20. Jahrhundert zusätzliche Schlaudern gesetzt.

Die umfassende Überarbeitung des Mauerwerks betrifft sowohl die Zumauerung der wohl bauzeitlich offenen Kasematten, als auch die Ergänzung des Mauerwerks auf der Außen- und auf der Innenseite. Hierzu hatte man das Mauerwerk einen Stein tief, also etwa 35 cm rückgebaut und wieder zugesetzt. Die Mauerwerksergänzungen hatten offensichtlich keine Verzahnung mit dem bauzeitlichen Mauerwerk. Es entstanden hierbei freistehende Schalen auf der Außen- und auf der Innenseite. Vom bauzeitlichen Mauerwerk verblieb ein „Torso“ sowie die innere Brüstungsmauer. Die Gewölbebögen der Kasematten und das Mauerwerk der Schießscharten gehören noch vollständig zur bauzeitlichen Phase.

Die vier noch vorhandenen Mauerschlaudern besaßen auf der Außenseite Kopfplatten, auf der Innenseite waren sie über Mörtelplomben im Mauerwerk verankert worden. Ausführung und Zustand der Verankerungen im Mauerwerk ließen keine statisch wirksame Stabilisierung des Mauerwerks erwarten, zumal die Auffüllung des Wehrgangs inzwischen beseitigt wurde.

Seit dem Abbruch eines bestehenden Wohngebäudes am Pulverturm 9 stand die Stadtmauer frei. Beim Abbruch des Gebäudes kam es zu einem Abscheren der äußeren Schale der Außenwand. Das aufgehende Mauerwerk zeigte insbesondere auf der Innenseite großflächige Lockerungen. Die Mauerkronen und der „Wehrgang“ waren aufgrund des fehlenden Wetterschutzes vollständig durchfeuchtet, in den bodennahen Zonen entstanden Salzausblühungen. Oberhalb der südlichen Kasematte war das Mauerwerk stark verformt und zerrüttet. Hier zeigten die stark nach unten verformten Lagerfugen eine Absenkung der Vormauerung schon beim Herstellen der früheren Mauerwerksergänzung. Ursächlich hierfür dürfte die nachgebende Gründung und/oder das ausweichende Widerlager auf der Südseite gewesen sein.

Zur statisch-konstruktiven Sicherung waren umfangreiche Maßnahmen von außen und von innen erforderlich: Im südlichen Teil mussten Vernadelungen, Spiralanker und im nördlichen Teil durchgehende Anker eingebaut werden. Die vorhandenen, unwirksamen Anker wurden ausgebaut, wie auch andere Metall- Kunststoff- und Holzteile. Vor dem Durchbohren des Mauerwerks zum Setzen der Anker wurden die jeweiligen Mauerwerksbereiche gesichert. Insbesondere auf der Innenseite mussten Teile des Mauerwerks rückgebaut bzw. durch zusätzliche Nadeln stabilisiert werden. Die Ankerplatten wurden in frischen Mörtel gesetzt und vorsichtig angespannt. Die Lasteinleitung erfolgte nach 24 Stunden.

Das zerrüttete Mauerwerk sowie die starke Ausbauchung im nördlichen äußeren Teil wurden vorsichtig rückgebaut und unter Mitverwendung der ausgebauten Ziegel wieder aufgemauert. Die bestehenden Hohlräume wurden mit geringem Druck verpresst. Der Mauerwerksverband richtet sich nach dem Bestand und wurde möglichst als Kreuzverband ausgeführt. Die Setzfuge richtet sich nach dem Bestand des Kernmauerwerks der ersten Bauphase. Der Übergang zwischen altem und neuem Mauerwerk erfolgte nicht scharfkantig alt-neu, sondern unter Verwendung von eingestreuten neuen Steinen. Die neuen Ziegel wurden aus verschiedenen Paletten der Liefermenge zusammengemischt.

Die stabilen Mauerbereiche wurden mit Heißwasserdampf und Bürste sorgsam gereinigt, einzelne lockere oder zerstörte Ziegelsteine wurden ersetzt oder geklebt. Die historischen Fugen wurden, soweit sie intakt waren, erhalten, die restlichen Fugen überarbeitet. Kleine Schadstellen und Bohrlöcher wurden mit Steinergänzungsmasse geschlossen.

Die Arbeiten wurden von Sommer 2017 bis Frühjahr 2018 ausgeführt.

Beteiligte:

  • Bauherr: privat
  • Denkmalschutz: Landesamt für Denkmalpflege Herr Dr. Schmidt
  • Untere Denkmalschutzbehörde: Stadt Straubing, Herr Rothamer
  • Verformungsgetreues Aufmaß, Baualtersplan: Büro Dietrich, Regensburg
  • Materialanalysen: Labor Dr. Ettl & Dr. Schuh, München
  • Rest. Fachbauleitung: Steinwerkstatt Endemann, Regensburg
  • Planung Neubau: Querluft Architekten, Straubing

Das Büro Bergmann führte folgende Leistungen aus:

  • Ergänzung Aufmaß, Voruntersuchung
  • Statisch-konstruktive Untersuchung
  • Tragwerksplanung
  • Bauüberwachung der statisch-konstruktiven Instandsetzung