Die Lichtführung, Statik, Wartung
Das Panorama als Kunstform entwickelte sich Ende des 18. Jahrhunderts und hatte seine Blütezeit Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Panorama in Altötting wurde 1902/03 errichtet und dauerhaft mit der Darstellung der Kreuzigung Christi auf Leinwand ausgestattet. Es ist das einzige in Deutschland noch erhaltene Panorama mit religiösem Thema.
Die Lichtführung
Die ursprüngliche Verglasung des Lichtbandes in der Dachfläche war mit mattiertem Glas ausgeführt. Das eintretende gestreute Licht wurde von einem mehrteiligen System aus horizontalen und vertikalen textilen Segeln gebrochen und indirekt auf das Gemälde reflektiert.
Bei der Instandsetzung in den 1980er Jahren war aus technischen und finanziellen Gründen nur eine Einglasung mit klarem Drahtglas möglich. Der leichte Grünstich des Glases wurde in Kauf genommen. Um die direkte Einstrahlung von Sonnenlicht auf die Leinwand zu verhindern, wurden zahlreiche vertikale Segel aus Nesselstoff unterhalb des Fensterbandes eingefügt, was jedoch zu einer Abdunklung des Raumes führte. Durch die eindringende UV-Strahlung waren diese Sonnenblenden bereits Ende der 1990er Jahre stark geschädigt und konnten ihren Zweck großteils nicht mehr erfüllen.
Anhand von mehreren Scherben aus den Kulissen konnten Glasuntersuchungen durch Herrn Professor Dr. Weißmann an der Universität Erlangen-Nürnberg folgende Erkenntnisse liefern:
Die bauzeitliche Verglasung bestand aus einseitig mattiertem, weißem Gussglas mit gewellter Oberfläche. Die Scheibendicke betrug ungefähr 5 mm.
Vergleichende Messungen mit dem eingebauten Drahtglas ergaben signifikante Unterschiede: Die Lichttransmission des Drahtglases war mit 81% deutlich höher als die des bauzeitlichen Glases mit 68%. Das Streulicht war etwas geringer. Die Farbwerte zeigten jedoch deutliche Abweichungen nach Grün.
Messungen an heute handelsüblichen Glasscheiben ergaben nahezu identische Transmissions- und Farbwerte für eine Verbundsicherheitsglas-Scheibe (VSG) der Firma Pilkington Glas, Flachglas Wernberg: „Optiwhite“ aus 2 x 4 mm Weißglas (eisenoxidarmes Glas) mit einer zwischenliegenden zweischichtigen PVB-Folie (0,38 mm Folie klar und 0,38 mm Folie 654U, matt).
Die Glasscheiben des Lichtbandes wurden alle ausgewechselt. Vor dem Einbau wurde durch eine weitere Analyse sichergestellt, dass das tatsächlich verwendete Verbundsicherheitsglas „Eurowhite“ des Herstellers Glaswerke Arnold aus Merkendorf in seinen Werten identisch mit dem geforderten Produkt ist.
Durch die Verwendung eines Verbundsicherheitsglases (VSG) konnten auch die aktuellen Bestimmungen für Überkopfverglasungen eingehalten werden.
Gleichzeitig mit dem Austausch der Scheiben wurden die Glasauflager verbreitert und die Dichtungsbänder umlaufend erneuert.
Nach dem Einbau des neuen Glases und nach der Restaurierung von Gemälde und Kulissenbauten wurde die Belichtung im Panorama mit Hilfe von einzelnen Stoffbahnen eingestimmt.
Nach der aktuellen Instandsetzung befindet sich das Panorama wieder nahe seinem ursrünglichen Zustand. Die rekonstruierte bauzeitliche Lichtführung erlaubt eine differenziertere Wahrnehmung des Gesamtkunstwerkes.
Während aller Arbeiten der Instandsetzung und Restaurierung konnte der Besucherverkehr aufrecht erhalten werden.
Die Statik
Die Konstruktion von Panorama-Gebäuden hatte sich über die Jahre zu einer eigenständigen Gattung entwickelt. Es ist zu vermuten, dass die Bauwerke mit ihren filigranen Dachwerken und dünnen Wänden eher als kurzlebige Konstruktionen geplant und nicht für den Bestand bis in die heutige Zeit vorgesehen waren. Viele Panorama-Gebäude wurden nach Ende der jeweiligen Ausstellung rückgebaut bzw. abgerissen, wenn sie baufällig wurden.
Das Panorama-Gebäude in Altötting wurde mehrfach instandgesetzt, zuletzt in den Jahren 1984 bis 1989 unter der Leitung von ortsansässigen Planern. Damals wurden alle geschädigten Hölzer des Dachstuhls repariert und die Knotenpunkte mit Nagelblechen verstärkt. Einzelne Sparren wurden beigelascht, die Mittelsäule und die Fachwerkstäbe wurden mit Blechlaschen gesichert. Zusätzlich wurden neue Zwischenpfetten aus Brettschichtholz zur Abstützung des Lichtbandes eingebaut.
Die zahlreichen Holzstreben der filigranen „Schirmkonstruktion“ des Dachwerks sind sehr stark räumlich vernetzt. Nahezu alle Bauteile sind hierbei an der Lastabtragung beteiligt. Die Berechnungen ergaben, dass die nach heutigen Normen erforderlichen Sicherheiten eingehalten werden. Weitere Tragreserven lassen sich jedoch nicht nachweisen.
Das vorhandene Tragsystem mit einer einzigen Mittelsäule wird gegen Umkippen und Aufspreitzen nur durch die Fachwerkkonstruktion der Außenwände stabilisiert. Dies bedeutete aber auch, dass bei Verformungen der Außenwand mit erheblichen Verformungen des Dachwerks unter zusätzlichen Beanspruchungen der Konstruktionshölzer zu rechnen war. Das galt sowohl für radiale als auch für tangentiale Verformungen der Außenwand.
Es wurde ein Konzept umgesetzt, das die Stabilität des Gebäudes durch den Einbau von zusätzlichen Bauteilen verbessert: So wurde zu dem bestehenden Eisenband, das an der Fassade unterhalb der Traufe um das Gebäude läuft, ein neuer, vorspannbarer Stahlzugring eingebaut. In das Dachwerk wurden umlaufende, statisch wirksame hölzerne Laufstege integriert. Die Mittelsäule, bestehend aus einem inneren Rundholzkern und zwölf trapezförmigen Balken, wurde zu den bauzeitlichen Ringbändern mit einem umlaufenden Stahlband gegen Knicken gesichert.
Wegen seiner Einzigartigkeit steht das „Jerusalem Panorama Kreuzigung Christi“ in Altötting unter Denkmalschutz.
Man ist sich einig, alles daran zu setzen, das filigrane Bauwerk und seine gesamte Ausstattung auch weiterhin zu erhalten, um das Gesamtkunstwerk auch in Zukunft der Öffentlichkeit zeigen zu können.
Die Wartung
Anlass der aktuellen Überprüfung des Gebäudes waren Schäden an der textilen Lichtführung und die daraus folgende Gefährdung des Gemäldes durch direkt einfallendes Sonnenlicht (UV-Strahlung) sowie ein umfangreicher Wasserschaden am Gemälde durch eine aufgefrorene Löschwasserleitung.
Erste Überlegungen zeigten es auf: Jede Wartung, ob des Gebäudes oder des Gemäldes, wird mit umfangreichen Einrüstungen bei erheblicher Einschränkung der Nutzung verbunden sein.
So wurde ein verfahrbares Hängegerüst entwickelt. Dieses Gerüst „schwebt“ dabei oberhalb der Kulisse und kann diese nun nicht mehr, wie beim Standgerüsts geschehen, beschädigen. Ein Betreten der Kulisse ist nur noch für den Auf- und Abbau des Hängegerüsts nötig.
Das Gerüst läuft an einer ringförmigen Stahlkranbahn, die an den Ecksparren des Dachwerks befestigt ist. Der Einbau der Kranbahn erfolgte abschnittsweise über eine Öffnung im Fensterband der Dachverglasung.
Nach dem Einbringen wurde jedes weitere Trägersegment an den bereits montierten Teilen der Kranbahn entlang bis zu seinem Platz verfahren und dort befestigt.
Das Hängegerüst kann von Hand durch drei Personen rasch aufgebaut und wieder demontiert werden. Es ist an jede Stelle der Leinwand bewegbar. Ein Steg, den man mit verfahren kann, ermöglicht den Zugang zum Gerüst von der Besucherplattform des Panoramas aus.
Vom Gerüst und seinen variablen Auslegern aus können alle Teile des Gemäldes und die textile Lichtführung erreicht und bearbeitet werden.
Die Restaurierung von Gemälde, textiler Lichtführung und der Kulissen kann so kontinuierlich, ohne zeitliche Unterbrechungen, durchgeführt werden.
Um einen erneuten Schaden durch eine auffrierende Löschwasserleitung zu vermeiden, wurden diese stillgelegt und stattdessen die Früherkennung eines Brandes verbessert: Eine Brandmeldeanlage erfasst flächendeckend das gesamte Gebäude und wurde der Feuerwehr aufgeschaltet.
Im Dachwerk wurden umlaufende hölzerne Laufstege eingebaut, die den Zugang zu allen Bereichen des Dachraums erleichtern und die Wartung der dort installierten Rauchmelder ermöglichen. Außerdem kann der Dachraum jetzt gefahrlos auf Schäden und Feuchtigkeit überprüft werden.
Künftig kann das von Gebhard Fugel geschaffene Gesamtkunstwerk regelmäßig und kostengünstig gewartet werden.
Es sind nun die Voraussetzungen gegeben, die das Panorama in Altötting auch im zweiten Jahrhundert seines Bestehens erhalten werden.